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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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machten sie kehrt und liefen in die Richtung davon, aus der sie gekommen waren.
    Die Fee verließ das Versteck unter dem Haselnußstrauch und winkte die beiden Kinder zu sich.
    »Wir müssen zurück«, sagte sie. »Der Tag ist bald zu Ende. Ich bin froh, daß wir den Königshirsch gesehen habe. Ich hatte auf diese Begegnung gehofft. Deshalb bin ich mit dir hierher gekommen, Gawen.«
    Gawen wollte eine Frage stellen, überlegte es sich aber anders. Doch der Fee war es nicht entgangen und sie fragte: »Was hast du? Du kannst mir immer sagen, was dich bewegt. Ich werde dir vielleicht nicht jedesmal eine Antwort geben können, aber du darfst fragen, und ich werde dir zumindest erklären, was ich weiß.«
    »Du hast die Männer daran gehindert, den Hirsch zu jagen. Warum? Und warum haben sie dir gehorcht?«
    »Sie leben in diesem Land und wagen es nicht, sich mir zu widersetzen. Und auf diesen Hirsch wird kein Jäger des kleinen Volkes wissentlich schießen. Der Königshirsch darf nur vom König erlegt werden ... «
    »Aber wir haben keinen König ... «, flüsterte Gawen und ahnte plötzlich, daß er der Antwort seiner Frage nahe war. Plötzlich wollte er sie nicht unbedingt kennen.
    »Die Zeit ist noch nicht gekommen«, sagte die Fee und nickte.
    Gawen senkte den Kopf und meinte trotzig: »Am liebsten würde ich nicht zurückgehen. Ich bin für die Priesterinnen und Priester nur eine unerwünschte Last.«
    Zu seiner Überraschung versuchte die Fee nicht, ihm zu widersprechen. Er kannte das bei Erwachsenen allzu gut, daß sie sich gegenüber Kindern immer gegenseitig in Schutz nahmen.
    Die Fee zögerte einen Augenblick und sagte dann nachdenklich: »Ich wünschte auch, daß du nicht zurückgehen müßtest. Ich möchte nicht, daß du unglücklich bist. Aber jeder muß früher oder später in seinem Leben Dinge tun, zu denen er keine Lust oder keine Begabung hat. Es wäre mir eine Ehre, einen Jungen von deiner Herkunft bei mir aufzunehmen. Ich habe mir immer einen Sohn gewünscht, der zusammen mit meiner Tochter aufwächst. Aber es ist notwendig, daß du so lange dort bleibst, wie es dauert, um ein Druide zu werden. Auch Sianna wird dieses Wissen brauchen.«
    Gawen schüttelte den Kopf. »Eigentlich möchte ich überhaupt kein Druide sein.«
    »Ich habe nicht gesagt, daß du einer werden sollst. Aber du mußt diese Ausbildung erhalten, um dein Schicksal zu erfüllen.«
    »Was ist mein Schicksal?« fragte er plötzlich ungestüm.
    »Das kann ich dir nicht sagen.«
    »Kannst du es nicht oder willst du es mir nicht sagen?« rief er und bemerkte, wie Sianna blaß wurde. Er wollte sich nicht in ihrer Gegenwart mit ihrer Mutter streiten, aber er mußte wissen, ob er ihr wirklich vertrauen konnte.
    Die Fee blickte ihn ruhig an. »Wenn du bei Einbruch der Nacht siehst, daß die Wolken gefährlich rot sind, dann weißt du, daß es am nächsten Tag wahrscheinlich ein Gewitter geben wird. Aber du kannst nicht sagen, wann es anfangen wird zu regnen, und auch nicht, wieviel Regen fallen wird. So ist es auch mit dem Wetter der inneren Welten. Ich kenne die Zeiten der Flut und den Ablauf der Zyklen. Ich kenne die Zeichen und sehe die Kräfte am Wirken. In dir sehe ich die Kraft, mein Kind. Die Sternenkräfte umfließen dich wie das Wasser einen Baum, dessen Wurzeln es überflutet hat. Auch wenn es dir im Augenblick wenig Trost bringt, so kann ich dir versichern, dein Schicksal wartet auf dich hier bei uns.« Sie schwieg und fuhr dann nachdenklich fort: »Aber ich weiß nicht genau, welches Schicksal dich erwartet, und selbst wenn ich es wüßte, dürfte ich nicht darüber sprechen. Wenn Menschen das Eintreffen einer Prophezeiung verhindern wollen, tun sie oft genau das, was sie vermeiden sollten.« Er sah die Fee ungläubig an, und sie lächelte. »Ich werde dir eines Tages die Geschichte von dem Mann erzählen, der aus seiner Heimatstadt floh, um einem Fluch zu entgehen, und genau damit das Unheil heraufbeschwor.«
    Gawen ließ den Kopf sinken und fragte sichtlich enttäuscht: »Wann werde ich dich wiedersehen, Herrin?«
    »Schon morgen. Warte am Ufer auf uns. Meine Tochter wird bald bei den Novizinnen leben. Wenn ich sie besuche, werde ich jedesmal auch zu dir kommen. Wirst du bei den Priesterinnen und Druiden auf sie aufpassen, so wie sie in diesem Wald auf dich aufgepaßt hat?«
    Gawen sah sie erstaunt an. Er konnte sich Sianna kaum im Kreis der Novizinnen vorstellen und auch nicht als Priesterin wie Eilan oder Caillean. Hatte Sianna

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