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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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... «
    Vater Joseph lehnte sich mit einem tiefen Seufzer gegen die Kissen. Das Versprechen schien ihm große Erleichterung zu verschaffen. Als sich nach einer Weile seine Augen auf Gawen richteten, fragte er leise: »Und du, mein Sohn? Wirst du dich zu meinen Brüdern gesellen, um das alte Wissen mit dem neuen zu verbinden?«
    Gawen wich einen Schritt zurück. Flüchtig sah er Caillean mit großen Augen an, aber nicht hilfesuchend, wie sie gedacht hätte, sondern eher vorwurfsvoll. Die Priesterin schluckte.
    Will Gawen ein Nazarener werden?
    »Mein Sohn ... «, flüsterte Vater Joseph, »ich will dich nicht bedrängen. Wenn die Zeit gekommen ist, wirst du die richtige Entscheidung treffen ... «
    Viele Gedanken stürmten auf Caillean ein, aber sie schwieg. Sie wollte nicht mit einem Mann, der dem Tod so nahe war, über Gewissensfragen sprechen. Trotzdem weigerte sie sich, zu glauben, daß die Götter dem jungen Mann, den die Fee als ›Sohn der hundert Könige‹ auf Avalon willkommen geheißen hatte, das Schicksal eines christlichen Mönchs zugedacht hatten.
    Vater Joseph schloß die Augen. Caillean spürte, wie er sanft einschlief, und sie ließ seine Hände los.
    Nach einer Weile verließen sie die Hütte und wollten sich von dem Mönch verabschieden, der sie zu Vater Joseph geführt hatte. Da sahen sie, daß Bruder Paulus sie erwartete. Der Zorn in seinen Augen verriet deutlich, daß er die Gäste nur aus Achtung vor dem Sterbenden geduldet hatte.
    Als er Gawen hinter der Hohepriesterin sah, trat er zu ihm und sagte so freundlich wie möglich: »Bruder Alanus hat ein neues Lied geschrieben. Wirst du morgen zu uns kommen, um es zu lernen?«
    Gawen nickte schweigend, und Paulus drehte sich ebenso wortlos um und ging mit schnellen Schritten davon.

    In den Tagen nach dem Besuch bei Vater Joseph wartete Gawen ängstlich darauf, zu hören, daß der alte Mönch gestorben sei. Aber erstaunlicherweise kam diese Nachricht nicht. Vater Joseph kämpfte weiter, und als Beltane näherrückte, wandten sich Gawens Gedanken anderen Dingen zu. Er und zwei andere Novizen wurden auf die Weihe am Vorabend des Fests vorbereitet. Aber Gawen hatte Angst davor.
    Er wußte jedoch nicht, wie er seine Gefühle ausdrücken sollte. Niemand hatte ihn je danach gefragt, ob er wirklich ein Druide werden wollte. Alle gingen einfach davon aus, er werde weitermachen, weil er den ersten Abschnitt der Ausbildung hinter sich gebracht hatte. Nur Vater Joseph hatte ihm vor Augen geführt, daß es für ihn auch eine andere Möglichkeit geben könnte. Gawen bewunderte den Glauben der Nazarener und hielt auch vieles von ihrer Lehre für gut, aber das Leben der Mönche schien noch eingeengter zu sein als das der Druiden, die sich wenigstens nicht völlig von Frauen losgesagt hatten.
    Die Gemeinschaft der Priester und Priesterinnen von Avalon stand in der Tradition von Vernemeton. Sie hatte sich jedoch von den Regeln befreit, die ihnen von den Römern aufgezwungen worden waren - vor allem von jenen Gesetzen, die Gawens Geburt zu einer Tragödie gemacht hatten. Die meiste Zeit des Jahres führten die Priester und Priesterinnen ein enthaltsames Leben. Diese Vorschrift war jedoch an Beltane und zur Sommersonnwende außer Kraft gesetzt, denn in der Vereinigung von Mann und Frau wurden die Kräfte der Natur beschworen, die dem Land neues Leben schenkten. An den Ritualen durfte allerdings nur teilnehmen, wer die Prüfungen und Weihen hinter sich hatte.
    Sianna hatte im letzten Herbst ihr Gelübde als Priesterin abgelegt. Das bevorstehende Fest würde ihr erstes Beltane sein.
    In seinen Träumen sah er Siannas Körper im Schein der heiligen Feuer. Stöhnend vor unbefriedigter Erregung konnte er nächtelang nicht schlafen.
    Bevor die Forderungen seines Körpers ihn in diese schwierige Lage versetzten, hatte es eine Zeit gegeben, in der er das Wissen der Druiden bis zu den höchsten Weihen erlernen wollte. Nun konnte er sich kaum noch an das rein geistige Streben erinnern. Die Nazarener behaupteten, es sei eine Todsünde, mit einer Frau aus Lust zu schlafen. Würden die Götter ihn also dafür bestrafen, daß es sein körperliches Verlangen nach Sianna war, das ihn dazu trieb, sich weihen zu lassen?
    Die Verwirrung seiner Gefühle wuchs mit jedem Tag. Immer wieder stand er am Ufer und blickte über die Sümpfe zur fernen Kette der Berge, und er kam sich wie ein Vogel im Käfig vor.
    Bestimmt ist es bei den Römern einfacher, ein Mann zu werden ...
    Aber auch solche

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