Die Herrin von Rosecliffe
bleibt.«
Sie verrenkte sich fast den Hals, um ihn zu sehen, doch es gelang ihr nicht. Dann packte eine harte Hand sie bei der Schulter und rollte sie auf den Rücken. Isolde beobachtete schreckensstarr, wie Rhys eine dünne Kette aus seinem Stiefel zog, ein Ende um ihre Taille knotete und das andere an einem Bettpfosten befestigte. Im flackernden Kerzenlicht hatte er etwas Dämonisches an sich. Und mit diesem Teufel in Menschengestalt hatte sie geschlafen!
War sie verflucht? Von Gott verlassen?
Er stand jetzt neben dem Bett und betrachtete sein Werk. Seine schwarzen Augen musterten sie langsam von Kopf bis Fuß - unergründliche Augen, die nichts verrieten, weder Begierde noch Abscheu, weder Leidenschaft noch Hass. Isolde schloss die Lider und drehte den Kopf zur Seite, weil sie den Anblick dieses Mannes, der sie so fasziniert - der sie völlig um den Verstand gebracht - hatte, plötzlich nicht mehr ertragen konnte.
»Du bleibst hier«, hörte sie ihn eisig sagen. »Wenn ich in dieses Zimmer zurückkomme, wird Rosecliffe Castle mir gehören. Nur ein Waliser kann der rechtmäßige Besitzer dieser Festung sein, die von Eindringlingen auf walisischem Boden erbaut wurde.«
Wider Willen öffnete sie ihre Augen und starrte ihn nun doch wieder an, geschüttelt von kaltem Grauen.
»Anschließend werde ich entscheiden, was ich mit dir machen soll, Isolde ... «
Rhys verließ den Raum.
Isolde lag auf dem Bett ihrer Eltern, völlig hilflos und verzweifelt. Was würde aus Osborn und den anderen Kämpfern werden? Würde Rhys sie alle umbringen?
Sie zerrte an ihren Fesseln, schürfte sich aber nur die Haut wund. Dann erlosch auch noch die Kerze, was Isolde als Symbol für ihre hoffnungslose Lage empfand. Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie daran dachte, dass in diesem Augenblick vielleicht Menschen starben, die sie ihr Leben lang gekannt hatte. Abgesehen von ihrem leisen Schluchzen herrschte in der ganzen Burg eine gespenstische Stille - eine Totenstille ...
Rhys ap Owain war zurückgekehrt um Rache zu üben, und nur Gott mochte wissen, womit das enden würde.
Während er die dunkle Halle durchquerte, fühlte Rhys sich trotz seiner Müdigkeit sehr beschwingt und zitterte vor Erregung. Er hatte nicht vorgehabt, Rosecliffe schon in dieser Nacht zu erobern. Sein in allen Einzelheiten, ausgearbeiteter Plan war durch seinen eigenen Leichtsinn gefährdet worden. Natürlich hätte er die Tochter seines Feindes in Ruhe lassen sollen, aber sie war so willig gewesen - und unglaublich begehrenswert. Er hatte der Versuchung einfach nicht widerstehen können. Nun War es für Reue zu spät und mit ein bisschen Glück würde er sein Ziel trotzdem erreichen. Schließlich kampierten seine alten Freunde Glynn und Dafydd zusammen mit anderen Rebellen im Wald hinter Carreg Du und warteten nur auf sein Signal zum Angriff ...
Gandy und Linus schliefen in einem leeren Pferdestall, der den Spielleuten als Nachtlager zur Verfügung gestellt worden war. Rhys rüttelte sie wach, und beide wussten sofort was sie zu tun hatten. Der Zwerg verschmolz gleich darauf mit der Dunkelheit - seine Aufgabe bestand darin, die Burg unbemerkt durch das Hintertor zu verlassen und ihre Verbündeten zu holen. Der Riese folgte Rhys - gemeinsam schlichen sie zum Wehrgang hinauf. Ein Fausthieb von Linus genügte, um den ersten Wächter außer Gefecht zu setzen. Dem zweiten und dritten erging es genauso. Rhys fesselte und knebelte die Männer, Linus trug sie zum Hintertor und legte sie außerhalb der Mauer auf die Felsen.
Genauso mühelos wurden die Stallburschen überwältigt: brutal aus dem Schlaf gerissen, gefesselt und geknebelt wurden sie im Waschhaus eingesperrt. Der Koch und Odo waren die nächsten Opfer. Odo leistete als Einziger erbitterten Widerstand, ergab sich aber, als Rhys ihm einen Dolch an die Kehle hielt und drohte: »Wenn du das Leben deiner jungen Herrin nicht gefährden willst solltest du tun, was ich dir sage!«
Rhys wusste, dass die Waffenschmiede, Zimmerleute und sonstigen Handwerker unten im Städtchen wohnten und somit nicht ins Geschehen eingreifen konnten. Aber er musste noch die Ritter und Soldaten gefangen nehmen, die ahnungslos in der Kaserne schliefen, und dazu benötigte er unbedingt die Hilfe der anderen walisischen Rebellen.
»Verdammt wo bleibt Gandy nur mit meinen Leuten?«, knurrte er wütend.
»Vielleicht hat er sich im Wald verirrt«, meinte Linus.
»Vielleicht hat er es sich aber auch anders überlegt«,
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