Die Herrin von Rosecliffe
befestigte den Bund an seinem eigenen Gürtel und bedachte Isolde mit einem finsteren Blick. »Du missverstehst meine Beweggründe. Ich habe nicht die Absicht zu plündern. Die Menschen, die auf diesen Hügeln leben, sind meine Landsleute, und ich würde ihnen niemals Schaden zufügen. Rosecliffe Castle ist jetzt mein Zuhause, das ich erobert habe, um zu beweisen, dass man uns Waliser auf Dauer nicht knechten kann. «
Sie schüttelte heftig den Kopf. »Mein Vater hat niemanden geknechtet das weißt du genauso gut wie ich. Du hasst meine Familie und willst dich rächen - unter dem Deckmantel von Gerechtigkeit für deine angeblich ausgebeuteten Landsleute. Aber sie hassen uns nicht - das tust nur du. Und es geht dir, wie schon gesagt nicht um Gerechtigkeit sondern um deine persönliche Rache.«
Rhys ließ ihre Tirade scheinbar unbewegt über sich ergehen. Scharfe Worte waren Isoldes einzige Waffe eine harmlose Waffe, die ihn eigentlich überhaupt nicht verletzen dürfte. Warum schmerzten ihre Worte trotzdem?
»Die Zeit wird zeigen, dass du dich irrst Isolde«, sagte er kühl. »Bald wirst du die Wahrheit erkennen.«
Sie kehrte ihm den Rücken zu und blickte wieder zum Horizont hinüber. Erst jetzt bemerkte Rhys, was sie mit solchem Interesse beobachtete: das Schiff, das immer näher kam. In Kürze würde es Anker werfen, und die menschliche Ladung würde an Bord verfrachtet werden. Rhys begriff, dass Isolde Angst hatte Angst um ihre Freunde, die gehen mussten, und Angst um sich, weil sie allein zurückbleiben würde. Er selbst konnte es hingegen kaum erwarten, die verhassten Engländer loszuwerden.
Dieser knapp zwanzig Meter hohe Turm gehörte nicht zur Verteidigungsanlage der Festung. Der schmale Wehrgang mit den niedrigen Zinnen diente nur als Beobachtungsposten, und die Aussicht war tatsächlich grandios: im Norden und Osten das offene Meer, im Westen und Süden das Gebirge, Hügel und Felder. Seine Heimat lag ihm zu Füßen ...
Als Rhys seinen Rundgang beendet hatte, stand Isolde immer noch an derselben Stelle und starrte das Schiff an, trotz der kalten Windböen, die von der See her über das Land fegten. Bald würde wieder der Winter anbrechen und einen Angriff der Fitz Hughs erheblich erschweren, wenn nicht unmöglich machen. Die Tochter seines Feindes würde auf lange Zeit seine Gefangene bleiben. Vielleicht sollte er ihre Bewegungsfreiheit weiter beschränken ... Rhys sah sich in dem kleinen Turmzimmer um, das sie am vergangenen Abend als gemütliches Liebesnest eingerichtet hatte. Es war nicht benutzt worden - noch nicht! Wenn er sie hierher verbannte, wäre sie in seiner Reichweite, wann immer ihm der Sinn nach einem Schäferstündchen stand ...
Er betrachtete die schmale Gestalt an der Brüstung. Ihre langen Haare flatterten im Wind, ebenso das blaue Kleid und der weiche graue Umhang. Sie glich einem schönen wilden Vogel, der sich jede Minute in die Lüfte erheben und davonfliegen könnte. Bei dieser Vorstellung krampfte sich seltsamerweise sein Magen zusammen.
Verdammt, er begehrte diese Frau - und sie konnte ihm nicht entfliehen, weil sie keine Flügel hatte! Er begehrte sie und würde wieder mit ihr schlafen, notfalls auch gegen ihren Willen ...
Rhys fing eine Locke ein und rieb die seidige Strähne mit Daumen und Zeigefinger. Isolde versteifte sich sofort, trat einen Schritt zur Seite und fasste ihre Haare mit einer Hand im Nacken zusammen. Er folgte ihr, obwohl eine leise innere Stimme mahnte, dass er sie nicht so quälen dürfte. Er gehörte nicht zu jenen Männern, die umso erregter wurden, je mehr eine Frau sich zur Wehr setzte. Vergewaltigungen hatte er nie nötig gehabt. Doch dieses Mädchen reizte ihn auf nie gekannte Weise, trieb ihn zu erschreckenden Handlungen.
»Du wirst ab jetzt in diesem Turmzimmer bleiben«, sagte er barsch. Sieh mich an, du Luder!
Sie reckte trotzig ihr Kinn, drehte sich aber nicht um. »Ich habe nichts dagegen«, erwiderte sie. »Wenn meine Landsleute weggeschickt werden, ist es mir sogar' lieber, hier allein zu sein.«
»Außer dir und mir wird niemand die oberen Etagen betreten«, fuhr Rhys fort.
Endlich wandte sie ihren Blick von dem Schiff ab, wirbelte herum und starrte ihn an, wütend und zugleich ängstlich. »Ich werde dich bekämpfen! «, schwor sie mit funkelnden Augen.
Rhys lächelte über diese ohnmächtige Drohung. »Mein ganzes Leben bestand aus Kämpfen, Isolde. Zuerst habe ich ums bloße Überleben gekämpft, später um des Ansehens und
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