Die Herrin von Rosecliffe
plötzlich in ihn gefahren war. Da lag sie nun unter ihm, schön und atemlos, mit offenen Haaren, leicht geöffneten roten Lippen und Augen, die vor Leidenschaft leuchteten. Sie begehrte ihn, und er begehrte sie. Weshalb zögerte er trotzdem?
Sie blickte bestürzt zu ihm auf und schluckte hart. »Was ... was hast du?«, fragte sie mit schwacher Stimme.
Allmächtiger, er wusste es nicht! Wie konnte er eine Frau so rasend begehren und trotzdem zögern, sie zu nehmen, obwohl sie mehr als bereit war, sich ihm hinzugeben? Sein schmerzhaft steifes Glied forderte ihn zu schnellem Handeln auf. Aber er schreckte davor zurück - aus purem Selbsterhaltungstrieb.
Das war natürlich lächerlich, denn er hatte ja keinen Krieger mit gezückter Waffe vor sich, sondern nur eine schwache Frau.
Rhys starrte sie an wie ein gänzlich unbekanntes Wesen. Er rief sich in Erinnerung, dass er hübschere Frauen sein Eigen genannt hatte - Frauen mit üppigeren Kurven, mit kundigen Händen und noch kundigeren Lippen, Frauen, die es bestens verstanden, einem Mann Lust zu bescheren. Doch während er Isolde betrachtete, lösten sich die Namen, Gesichter und körperlichen Vorzüge all jener Frauen in Luft auf. Er sah nur noch dieses unerfahrene Geschöpf, das zudem die Tochter seines Feindes war. Sein Herz klopfte zum Zerspringen - aber nicht mehr vor Begierde, sondern vor Angst.
Angst?
Verflucht, hatte er den Verstand verloren?
Er sprang auf, wich vom Bett zurück, blieb in der Mitte des Zimmers stehen und rang um Fassung. Isolde beobachtete ihn verwirrt. Verdammt, irgendwie musste er diese unerträgliche Spannung abreagieren ... »So, du begehrst also nur Reevius?«, höhnte er. »Davon habe ich nichts gemerkt! Was für eine wankelmütige Geliebte du doch bist! «
Sie zog bei seinen grausamen Worten scharf die Luft ein und wandte ihr Gesicht ab. Rhys ballte die Fäuste. Warum hatte er das gesagt? Er hatte sie völlig grundlos verletzt - nur weil seine unbegreiflich widersprüchlichen Gefühle ihn in Panik versetzt hatten.
Isolde rollte sich auf dem Bett zu einem Knäuel aus Scham und Kummer zusammen. Bei diesem Anblick stieg heftige Übelkeit in Rhys auf, und die Hand eines Riesen schien sich um sein Herz zu krampfen, sodass er kaum Luft bekam.
»Isolde ... « Zögernd streckte er eine Hand aus - eine Hand, die stark zitterte. Isolde zuckte zusammen, als er sie sanft an der Schulter berührte, und er zog den Arm sofort wieder zurück.
Die Stille war beklemmend. Isolde weinte nicht, und sie beschimpfte ihn auch nicht. Beides wäre ihm lieber gewesen als dieses eisige Schweigen. Er musste es irgendwie brechen, fühlte sich jedoch so hilflos wie selten in seinem Leben.
Zähneknirschend murmelte er schließlich: »Ich hätte das nicht sagen dürfen.«
Isolde bewegte sich nicht.
Seine Kehle war wie zugeschnürt. »Es war gemein von mir«, gab Rhys heiser zu, bevor er wie ein Feigling
aus dem Zimmer flüchtete, geplagt von schweren Gewissensbissen.
Was für eine wankelmütige Geliebte du doch bist!
Die schrecklichen Worte dröhnten unablässig in ihrem Kopf. Was für eine wankelmütige Geliebte du doch bist!
Er hatte sie verführt, nur um sie verhöhnen zu können! Doch das war nicht das Schlimmste. Das Allerschlimmste war, dass er Recht hatte.
Ein heißes, würgendes Schluchzen saß ihr in der Kehle, seit Rhys sie beleidigt hatte, aber sie war fest entschlossen, es auch weiterhin zu unterdrücken. Sie mochte eine törichte und unbeständige Person sein, doch ein letzter Rest von Stolz war ihr geblieben, und sie wollte nicht flennen wie ein Kleinkind!
Leicht ' gesagt aber schwer getan ... Wie sollte sie sich beherrschen, wenn aufgestaute Emotionen wild in ihr brodelten? Langsam rollte sie auf den Rücken und sofort fiel ihr Blick auf den dämonischen Drachen und den unter ihm liegenden Wolf. Es kam ihr so vor, als wollten auch die Fabelwesen sie höhnisch an ihre Kapitulation erinnern, und nun verlor sie endgültig die Fassung. Schluchzend und am ganzen Leibe zitternd sprang sie vom Bett auf.
»Ich hasse dich!«, schrie sie das Gemälde, Rhys und sich selbst an. »Ich hasse dich!« Tränenblind griff sie nach der Schüssel, in der sie ihre Pinsel reinigte, und schleuderte sie gegen die Wand. Wasser spritzte in alle Richtungen, Scherben flogen klirrend auf den Boden.
Doch der Drache ließ sich von ihrem Wutausbruch nicht beeindrucken, starrte den Wolf zu seinen Füßen genauso triumphierend an wie zuvor. Das war unerträglich!
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