Die Herrin von Rosecliffe
Keuchend betrachtete Isolde die verhasste Kreatur, die sie geschaffen hatte. »Ich werde dich vernichten!«, schwor sie, außer sich vor Wut und Verzweiflung.
Ihre Farbtöpfe standen noch auf dem Tisch. Wie hatte sie nur kostbare Farben verschwenden können, um dieses grässliche Bild zu malen, das ihre Familie entehrte und einen Bösewicht glorifizierte?
Sie nahm einen Farbtopf und einen dicken Pinsel zur Hand und griff kreischend das Gemälde an, als wäre es ein lebendiges Wesen. Blutrote Farbe klatschte sie an die Wand, mit dem einzigen Ziel, den Drachen auszulöschen - Rhys auszulöschen!
Rhys saß zwei Stockwerke tiefer in der Halle auf dem Stuhl des Burgherrn und lauschte mit versteinerter Miene dem Krach, den Isolde in seinem Zimmer veranstaltete. Er wäre gern zu ihr gegangen, wusste aber, dass sie noch mehr in Rage geraten würde, wenn sie ihn zu Gesicht bekäme.
»Was hast du ihr angetan?«
Er zuckte bei Tillos scharfen Worten zusammen. Der alte Spielmann starrte ihn vorwurfsvoll an - ebenso wie die Pagen und Dienstmädchen, die den Lärm natürlich ebenso wie er hörten. Linus' gutmütiges breites Gesicht wirkte verstört und sogar Gandy sah sehr besorgt aus.
»Was hast du ihr jetzt wieder angetan, Rhys?«, wiederholte Tillo.
Rhys machte eine wütende Geste. »Nichts! Gar nichts!« Ich habe nur mit ihr gespielt, sie verführt und dann beleidigt.
Tillo schnaubte ungläubig. »Sie hat deine Anwesenheit in der Burg ihrer Eltern bisher mit bewundernswerter Fassung ertragen. Wenn sie jetzt völlig außer sich ist muss wirklich etwas sehr Schlimmes geschehen sein.«
Rhys sprang auf. Seine eigenen Schuldgefühle machten ihn besonders aggressiv. »Verdammt was geht dich denn dieses Weibsbild an? Sie ist um nichts besser als alle anderen Frauen, auch wenn sie innerhalb der ach so geheiligten Mauern von Rosecliffe aufgewachsen ist! Ein treuloses Geschöpf, dem man nicht über den Weg trauen darf!«
Mit angespannten Muskeln und geballten Fäusten stand er vor dem alten Mann, bereit ihn notfalls mit Gewalt zum Schweigen zu bringen. Doch als Tillo eingeschüchtert einige Schritte zurückwich, verspürte Rhys die gleiche Scham wie vorhin, als er Isolde beleidigt hatte.
O Gott war auch er schon zu einem Rohling entartet der jeden Menschen bedrohte, der ihm zu widersprechen wagte?
Sein ehemaliger Freund Dafydd hatte sich in den vergangenen zehn Jahren zu einem solchen Rohling entwickelt und sein eigener Vater war immer brutal und grausam gewesen ... Als kleiner Junge hatte Rhys oft unter dieser Brutalität gelitten, und damals hatte er sich geschworen, niemals so zu werden wie Owain ap Madoc. Doch jetzt setzte er Worte wie scharfe Waffen gegen eine wehrlose Frau ein und stand drohend vor einem alten Mann, der nur halb so groß wie er selbst war! Dabei hatten Isolde und Tillo nichts verbrochen. Er durfte seinen Zorn nur an Randulf und Jasper Fitz Hugh auslassen, nicht an irgendwelchen Unschuldigen ...
Rhys atmete tief durch. Nein, er würde nicht wie sein Vater werden! Niemals! Verlegen schaute er Tillo an. »In den letzten Tagen habe ich mich oft unvernünftig benommen, was mir Leid tut. Ich werde mich von nun an besser beherrschen. «
Tillos Miene blieb unversöhnlich. »Ich rate zu einem Bad im kalten Meer und zu inbrünstigen Gebeten auf Knien in der Kapelle, damit du diese Besessenheit überwindest.«
Im zweiten Stock zerschellte wieder irgendetwas. »Vielleicht hast du Recht«, gab Rhys kleinlaut ZU. »Aber das wird sie nicht besänftigen.«
Tillo schnaubte wieder verächtlich. »Lass sie endlich in Ruhe. Du hättest sie zusammen mit den anderen auf dem Schiff wegfahren lassen sollen. Du könntest sie auch jetzt noch nach Chester oder nach Bailwyn, in die Burg ihres Onkels, schicken. Du brauchst keine Geisel, denn die Brüder Fitz Hugh werden alles daransetzen, um Rosecliffe Castle zurückzuerobern, auch wenn Isolde frei ist. Der Kampf, den du um jeden Preis haben willst, entgeht dir nicht.«
Rhys wusste genau, dass Tillo Recht hatte, aber er war trotzdem nicht bereit, Isolde Fitz Hugh gehen zu lassen. »Ich kann sie als Druckmittel bei Verhandlungen mit meinen Feinden einsetzen«, rechtfertigte er sich.
»Ich glaube, dass du sie aus ganz anderen Gründen bei dir behalten willst. «
Rhys geriet wieder in Wut. »Meine Gründe gehen nur mich etwas an! Du kannst Rosecliffe jederzeit verlassen, wenn mein Regiment dir nicht zusagt.«
»Vielleicht werde ich diesen Ort tatsächlich verlassen«,
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