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Die Herrin von Sainte Claire

Die Herrin von Sainte Claire

Titel: Die Herrin von Sainte Claire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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ein noch größerer Esel, als ich gedacht hätte!« Er warf Rorik einen gereizten Seitenblick zu. »Gut, daß unsere Gäste außer Hörweite sind. Wenn Ihr dumm genug seid, diese süße Dame vor ihren Ohren zu beleidigen, müßte ich Euch vor aller Augen verprügeln.«
    »Müßtet Ihr das wirklich?« fragte Rorik leise lächelnd. »Es ist wahr, es steht nicht jedem zu, ihren Namen zu verunglimpfen. Die kleine Hexe ist meine Frau. Ihre Ehre und meine sind ein und dasselbe. Um so schändlicher, daß sie sie in so kurzer Zeit nach unserer Hochzeit besudelt hat.«
    Sihtric sah Rorik ungläubig an. »Eure Zunge galoppiert Euch davon, mein Junge. Vielleicht solltet Ihr innehalten und abwarten, bis Euer Verstand aufgeholt hat.«
    »Bah!« spottete Rorik. »Alle Frauen sind im Grunde ihres Herzens Verräterinnen.«
    Sihtric gab ein unhöfliches Geräusch von sich. »Ihr habt Euch schon zu lange an diesen Unsinn geklammert. Nur ein Dummkopf läßt eine Wunde über die Jahre hinweg eitern, bis sie seinen Blick mit Bitterkeit vernebelt. Ich könnte es dem Mädchen nicht verübeln, wenn sie sich auf der Suche nach Zärtlichkeit und Trost einem anderen zuwenden würde, nachdem sie einen starrköpfigen Narren zum Gemahl hat. Achtet auf meine Worte: wäre sie meine Frau, ginge ich nicht so grob mit ihr um!«
    Rorik erhob sich jäh und stellte seinen Trinkkrug krachend auf die Bank. Vereinzelte Gäste, die sich noch nicht zurückgezogen hatten, blickten bei dem Lärm verdutzt auf. Rorik stand schwankend auf den Beinen und stierte auf seinen alten Kumpanen.
    »Mit dieser Runde kann man nicht trinken. Ich werde mich im Stall schlafen legen. Mein Pferd leistet mir weitaus bessere Gesellschaft!«
     
    Der Winter zog sich endlos dahin, naßkalt und grau. Alaine und Joanna begaben sich auf ihren Rundgang durch die Dörfer und Höfe mit Essensgaben. Joanna trug ihr Bündel mit Heilkräutern und Arzneimittel bei sich. Langsam bekam Alaine einen geübten Blick für die Bedürfnisse ihrer Untertanen. Sie verhielt sich zunehmend geschickter bei der Verrichtung der häuslichen Arbeiten im Bergfried, im Burghof, in den Vorratskammern und Werkstätten. Warum sie jemals Frauenarbeit für weniger anspruchsvoll als ihre kindischen Kriegsspiele angesehen hatte, war ihr jetzt völlig unverständlich. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang waren ihre Tage mit Hausarbeit und der Versorgung ihrer Untertanen erfüllt.
    Jede Nacht in der dunklen Wärme ihres Bettlagers, wandte sich Rorik an sie und nahm sich sein Recht als Eheherr. Die Paarung mit ihm war heftig und inbrünstig, doch ließ er es so sehr an allem anderen außer an Begierde fehlen, daß Alaines Herz beinahe zerbrach in Erinnerung an seine sanfte Zärtlichkeit in den ersten Wochen ihrer Ehe. Ihr Körper empfand nichts mehr bei seinen Liebkosungen. Auch wenn er ihr niemals weh tat oder sie gar mit Gewalt nahm, ertrug sie seine nächtliche Zuwendung mit quälendem Unbehagen. Ohne Teil an seiner Seele zu haben, konnte sie die Vereinigung ihrer Körper nicht genießen.
    Die Tage erhellten sich langsam mit einer leisen Andeutung von Frühling. Alaines Stimmung sank noch tiefer. Seitdem sie denken konnte, hatte sie ihres Vaters Zuneigung und Achtung genossen. Ablehnung hatte sie nie gekannt, bis sie auf Roriks undurchdringliche Wand der Abscheu gegen sie gestoßen war. Nie hätte sie gedacht, daß seine ständige, unausgesprochene Verachtung sich ihr wie eine Last aufs Gemüt legte. Aber so war es.
    Was bedeutete er ihr schon? fragte sie sich verärgert. Kein Mann war das Leiden wert, das sie durchmachte. Drache am allerwenigsten. Sie sollte sich glücklich wähnen über ihr geordnetes und sicheres Leben und daß sie immer noch Ste. Claire besaß und nicht irgendeinem Mädchentraum nachweinen. Und wenn schon damals Roriks Augen in einem warmen sommerlichen Grün erstrahlt waren – sie sollte es vergessen. Wenn jetzt seine Stimme hart und kurz angebunden war, wann immer er das Wort an sich richtete – ganz anders als die sanften Töne, mit denen er einst in ihrem Hochzeitslager zu ihr gesprochen hatte, – was wollte sie? Wenigstens schlug er sie nicht oder beschimpfte sie vor den anderen. Und außerdem, rügte sie sich selbst, wenn sie schon so sehr erpicht darauf war, die Mauer zwischen ihnen beiden zu durchbrechen, sollte sie sich wenigstens aufraffen und für das, was sie wollte, auch kämpfen und sich nicht hinter einer Mauer aus Eis verschanzen. Wann war sie je einer Herausforderung

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