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Die Herrlichkeit des Lebens

Die Herrlichkeit des Lebens

Titel: Die Herrlichkeit des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kumpfmüller
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ist.
    Morgens, wenn er sich anzieht, Hemd und Krawatte, im kleinen Bad vor dem Spiegel, wenn er sich wäscht und rasiert und dann anzieht, den dunklen Anzug, immer wie aus dem Ei gepellt, als hätte er eine Verabredung zum Frühstück in einem Café, wo er sie gleich treffen wird, und dabei ist sie längst hier, in einem Kleid, einer Bluse, die er kennt.
    Er fragt sich, wann er das gelernt hat. Oder kann man die Dinge zuverlässig immer genau dann, wenn sie von einem verlangt werden?
    Auch die Abende bleiben erstaunlich, denn irgendwann muss man die Kleider ablegen, man bereitet sich für dieNacht, der Raum ist geteilt, man ist nicht allein, was aber nicht weiter stört, im Gegenteil, denn genau so, hat er gedacht, müsste man eines Tages leben.

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6
    E IN PAAR W OCHEN IST SIE WUNSCHLOS glücklich. Über manches wundert sie sich, seine Nachmittage im Bett, seine seltsamen Geschichten, wenn er ihr erklärt, da und da habe er an sie gedacht, dieser Platz, wo das Tier die Vorräte sammelt, der Burgplatz, das bist du, obwohl sie die Verbindung beim besten Willen nicht erkennen kann. Aber das ändert nichts an ihrem Glück. Der Winter ist streng, in der Stadt hungern die Menschen, worüber sie häufig reden, wie froh sie sein können, dass sie haben, was sie haben. Recht viel weiter denkt sie nicht, auch weil sie sich das meiste verbietet, die Kinderfrage, was aus ihr wird, hier in dieser Wohnung, die sie am liebsten nie mehr verlassen möchte.
    Ottla hat erzählt, wie sich das Leben mit Kindern verändert. Sie hat ohne Umschweife gefragt, und, was ist mit dir?, in der Küche, als sie zu zweit waren. Weil Dora mit der Frage nicht rechnet, kann sie leider nur stammeln, eigentlich ja, sagt sie, es ist alles so neu, in diesen Zeiten, sie weiß nicht. Ottla hat sie bekümmert angesehen, weil sie ja beide wissen, dass die Sache an Franz hängt, dass er leider krank ist, denn wäre er nicht krank, mit dir würde er sich Kinder wahrscheinlich wünschen. Habt ihr darüber gesprochen? Worauf sie nur sagen kann: nein, und auf das Mädchen mit der Puppe kommt, denn natürlich haben sie nie darüber gesprochen, aber in gewissem Sinne ebendoch, damals im Park für einige Tage. Ottla hat die Geschichte sehr gemocht, sie ist sehr nett, will Dora trösten, wer weiß, was mit euch beiden noch geschieht, du bist jung, vielleicht wird er ja wieder gesund oder sie erfinden ein Medikament, woher soll man das wissen. Ottla hat sie fest umarmt, wie eine Schwester, hat sie gedacht, irgendwie getröstet, überrascht, dass sie das braucht, dass jemand sie so sieht.
    Anfang März wird sie sechsundzwanzig.
    Sie hat mit Franz über ihr Zimmer gesprochen, und sie sind sich einig, dass sie es nicht behält, es ist eine unnütze Ausgabe, zur Monatsmitte will sie kündigen. Sie hat das Zimmer nie gemocht, das alte Bett, in dem sie heulte, als Albert sie verließ, den muffigen Geruch von den Teppichen, die abgenutzten Möbel. Einmal hat sie Hans mitgenommen, was ein schwerer Fehler gewesen ist. Alles war vertrackt, sie wussten nicht, was reden, dabei war er zum Reden nicht gekommen, und dann stand er auf und kam nie wieder.
    An ihren Wegen wird die Kündigung nicht viel ändern. Sie fährt weiterhin jeden zweiten Tag ins Volksheim, wo sich die Lage Woche für Woche verschlechtert, denn es fehlt praktisch an allem, an Geld, an Lebensmitteln, die armen Juden im Viertel wissen sich kaum zu helfen. Franz ermutigt sie. Jemand muss sich kümmern, sagt er, niemand könne das besser als sie, dennoch zweifelt sie, fühlt sich schwach, hin- und hergerissen, ob sie besser bei Franz ist oder bei den Kindern.
    Mit seiner Geschichte ist er immer noch nicht fertig. Aber es geht voran, regelmäßig ab zehn, halb elf setzt er sichhin, und ohne jede Verabredung bleibt sie jetzt manchmal bei ihm, liest ein Buch oder sitzt nur da und beobachtet seinen Rhythmus, die Pausen, bevor er den Faden wieder aufnimmt. Einmal schläft sie ein, und als sie erwacht, sitzt er neben ihr, völlig verändert, erschöpft, wie nach schwerster Arbeit. Ein Leuchten ist in seinem Gesicht, etwas, das sie kurz quält und dann nicht mehr. Draußen dämmert es. Du bist wach? Ja, sagt er, und nun habe ich dich hier gefunden. Offenbar hat er dergleichen noch nie erlebt, er ist merkwürdig bewegt, er flüstert, als wäre es im Grunde undenkbar, hier mit ihr in einem Zimmer.
    Seit ich dich kenne, bin ich ein anderer Mensch.
    Alle paar Tage liest er ihr etwas vor, sie sind ununterbrochen zusammen.

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