Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
Drachenrassen gefüllt war. Hoch über ihm befand sich eine riesige Kuppel, die aus Stahl und Glas bestand und es gestattete, dass die pinkfarbenen Strahlen des Sonnenuntergangs ins Zimmer drangen. Eisentreppen, die sich in raffinierten Spiralen nach oben wanden, gewährten Zugang zu den entlang ringförmiger Wege angeordneten hohen Bücherregalen. Graxen starrte auf die Bücher, die den Saal säumten; es kam ihm unmöglich vor, dass die Welt alt genug war, dass so viel hatte geschrieben werden können. Sämtliche Bücher, die er im Kolleg der Türme abgestaubt hatte, hätten womöglich diese mittlere Kammer füllen können, aber von jeder Etage gingen Dutzende von Gängen ab und
führten zu noch mehr Räumen mit noch mehr Büchern. Graxen bekam einen Anflug von Höhenangst, als er versuchte, auch nur das Ausmaß der Informationen aufzunehmen, die sich vor ihm erstreckten. Natürlich würde sich das Wissen, das er suchte, irgendwo in dieser Bibliothek befinden.
Neben den Büchern besaß die Bibliothek eine beeindruckende Sammlung von Fossilien und Skulpturen, die von der Ahnenreihe der Drachen kündete. Ein gewaltiger Schädel eines Tyrannosaurus Rex beherrschte die Mitte des Raumes; seine riesigen Kiefer stellten sogar die der Sonnendrachen in den Schatten. Hoch über ihnen hingen an Ketten wiederhergestellte Varianten von Pteranodonten; sie wirkten, als wären sie mitten im Flug zwischen den Säulen erstarrt. Graxen kannte die alte Behauptung, dass die geflügelten Drachen die Nachfahren des Pteranodons waren, aber er fand sie immer noch zweifelhaft. Während der Rumpf und die Flügel auch tatsächlich eine unzweifelhafte Ähnlichkeit hatten, fand er ihre stummeligen Hinterbeine beinahe komisch, und er hatte immer das Gefühl gehabt, dass die primitiven Tiere schrecklich unbeholfen in der Luft sein mussten, wenn sie keinen Schwanz als Ruder zur Verfügung hatten. Natürlich flogen Fledermäuse auch ohne nennenswerte Schwänze anmutig, aber dennoch. Wenn er in der Luft war, war sein Schwanz für die Feinabstimmung seiner Manöver ebenso wichtig wie seine Schwingen. Seinem Bauchgefühl nach passte es einfach nicht, dass diese uralten Reptilien unmittelbar zu seiner Existenz führen sollten.
Graxen ging durch die Schatten hindurch, die die Reptiliennachbildungen über ihm auf die glatte Oberfläche des Bodens warfen. Sosehr das schiere Ausmaß der Bibliothek seine Hoffnung nähren mochte, es erzeugte auch ein Gefühl der Hilflosigkeit. Im ganzen Königreich gab es nicht zwei Bibliotheken, die das gleiche Ordnungssystem besaßen. Vor einigen Jahrhunderten
hatten sich verschiedene Gruppen von Biologen in einem bewaffneten Konflikt darum gestritten, ob das Wissen aller Bibliotheken nach einem Standardsystem geordnet werden sollte. Der Krieg der Worte hatte mit Hunderten von Toten geendet und dazu geführt, dass überall im Königreich Bibliotheken beschädigt worden waren; unzählige Bücher waren gestohlen und von ebenfalls plündernden Kollegen zurückgeholt worden. Damit war jede Hoffnung auf die Einführung eines einheitlichen Systems zunichtegemacht worden. Jede Bibliothek ordnete fortan ihren Bestand nach geheimen und gut gehüteten Systemen, die dem Zweck dienten, das Wissen vor Raub, Diebstahl oder Zerstörung durch andere, wetteifernde Gelehrte zu schützen. Unglücklicherweise bedeutete das, dass Graxen jetzt einen Biologen finden musste – einen der wenigen Dutzend – , der Androkom unmittelbar unterstand und ihm daher als Führer dienen konnte. Ansonsten würde er das Ordnungsprinzip selbst herausfinden müssen, was bedeutete, dass er Stunden, wenn nicht sogar Tage mit seiner Suche verbrachte.
Allerdings zögerte er, so einfach zu einem Fremden zu gehen und zu sagen: »Ich suche eine Anleitung, die mir die Kunst der Fortpflanzung erklärt.« Es war gut möglich, dass Androkom auf diese Weise von seiner Anwesenheit erfuhr und damit auch Shandrazel, in dessen Schuld er stand. Mit seinem Auftraggeber zu sprechen barg aber die Möglichkeit, mit einem neuen Auftrag versehen zu werden – etwas, das Graxen ganz sicher nicht riskieren wollte. Also vertraute er auf sein Glück und erkundete einen der nahen Gänge. Er wählte einen, der von all denen, die vom Hauptsaal wegführten, am schwächsten beleuchtet wurde, denn er vermutete, dass verbotenes Wissen in jenen Teilen der Bibliothek aufbewahrt würde, die am tiefsten im Schatten verborgen waren.
Aufgrund dieser Logik entschied er sich für den
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