Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
die beide jeweils von Sonnendrachen regiert wurden, die in Sachen Philosophie und Verhalten kaum unterschiedlicher hätten sein können. Das südliche Ende war von Chakthalla regiert worden, Albekizans Schwägerin, einer gebildeten Sonnendrachenfrau mit höfischen Manieren. Sie hatte in einem Palast gelebt, der für seine elegante Architektur berühmt gewesen war, einem Gebäude, das aus genauso viel Glas bestanden hatte wie Stein. Sie hatte ihre Erddrachen mit kunstvollen, spitzengesäumten Uniformen ausgestattet, sie unaufhörlich trainieren lassen und nie in einen Krieg geschickt. Tatsächlich hatte Vulpinus Chakthalla immer gemocht. Sie hatte einen Sinn für Poesie und Dramen gehabt und war eine gute Schutzherrin der Himmelsdrachen-Gelehrten und -Künstler gewesen. Sie hatte auch ihre menschlichen Sklaven gut behandelt, was bedeutete, dass Vulpinus nicht viel Arbeit durch sie gehabt hatte. Man konnte Menschen entweder durch Furcht oder Anständigkeit zur Ruhe bringen, und Chakthalla hatte eindeutig den sanfteren Weg gewählt. Sie war eine der wenigen Sonnendrachen gewesen, die sich Albekizans Plan des Völkermords widersetzt hatten. Natürlich war sie genau deshalb jetzt auch tot, von den Schwarzen Schweigern ermordet. Ihre Burg war ausgeräumt und geplündert worden und diente als mahnendes Beispiel dafür, welches Schicksal einen erwartete, wenn man sich Albekizan entgegenstellte.
Im Gegensatz zu der vornehmen Chakthalla wurden die nördlichen Gefilde des Tals von einem brutalen Bullen-Sonnendrachen namens Rorg regiert. Rorg hatte bei seiner Geburt den Namen Zanatharorg erhalten, aber fünfzig Jahre zuvor hatte er – zusammen mit vielem anderen – die meisten Silben aufgegeben, als er die Philosophie der Bestien angenommen hatte.
Die Bestien waren Drachen, die die Fallen und Fallstricke der Zivilisation abgelegt hatten und in Höhlen statt in Burgen lebten. Sie trugen keinen Schmuck, sammelten keine Gemälde oder Skulpturen und lehnten den Einsatz von Waffen und Rüstungen ab, was sich andere Drachen vor Jahrhunderten angewöhnt hatten. Das älteste Gedicht, das von einem Drachen geschrieben worden war, Die Ballade von Belpantheron, berichtete, dass die Drachen früher wie Tiere gelebt hatten und die Welt noch von Engeln regiert worden war, kleineren, schwächeren Wesen, die dennoch durch die Waffen Macht besessen hatten. Sonnendrachen waren mit beachtlichen natürlichen Waffen ausgestattet, aber ein Schwert und ein Speer waren länger, schärfer und härter als jeder Zahn oder jede Klaue. Die Drachen hatten ihren langen Kampf gegen die Engel gewonnen, als auch sie gelernt hatten, Stahl zu schmieden und ihre eigenen Kriegswaffen herzustellen.
Die Bestien jedoch glaubten, dass die Drachen aus den vergangenen Zeiten sich einfach nur nicht genug bemüht hatten. Für sie war der Einsatz von Waffen ein beschämendes Eingeständnis, dass die Kultur der Engel der der Drachen überlegen war, und sie spürten, dass jede Form des Unglücks in der Drachengesellschaft von der Tatsache herrührte, dass die Drachen versuchten, etwas anderes zu sein als das, was sie waren. Sie waren keine Engel, die die Erde von einem höheren Reich aus besuchten. Sie waren der Gipfel der Evolution, die geschliffensten, schärfsten Jäger, welche die Erde je hervorgebracht hatte. Diese natürliche Rolle anzunehmen, war der Schlüssel zu wahrem Glück.
Es gab natürlich einen Aspekt der Zivilisation, den sie nicht zurückgewiesen hatten, und das war der Besitz von menschlichen Sklaven. Vulpinus hatte Rorg häufig wegen entflohener Sklaven aufgesucht. Im Gegensatz zu den makellosen, gut gehaltenen
Dörfern im südlichen Teil des Tals waren die Dörfer in Rorgs Herrschaftsbereich armselig und freudlos und oft die Ursache von sich verbreitenden Krankheiten. Genau deshalb war Vulpinus jetzt hier. Der letzte Ausbruch von Gelbmund passte zeitlich recht gut. Gelbmund befiel nur Menschen, und zwar meistens jene, die mit dem Dung von Sonnendrachen zu tun hatten. Einmal angesteckt, konnten die Menschen die Krankheit über beinahe jede Körperflüssigkeit an andere Menschen weitergeben. Die Krankheit trat zunächst als leichtes Fieber und Schwächegefühl auf, ein unauffälliges Gefühl von Kranksein, das kaum besorgniserregender war als eine Erkältung. Der einzige Hinweis, dass es sich um etwas Ernsthafteres handeln könnte, bestand darin, dass sich die gewöhnlich rosafarbene Innenseite des Mundes allmählich gelb färbte. In diesem frühen
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