Die Herzen aller Mädchen
jüngerer Schwester zu tun?«
Jaecklein sah auf. »Davon wissen Sie?«
»Ich weiß nur, dass die Kleine Angelina hieß und im Alter von vier Jahren am Lido di Ostia ertrunken ist. In Oberhubers Buch dagegen wird eine vierjährige Angelina genau an diesem Strand von Johnny Montes gerettet.«
Der Kollege ließ seine Gabel sinken. »Wie schaurig.«
»Nicht wahr? Kann es bedeuten, dass Johnny Montes alias Georg Krampe in Wahrheit für Angelinas Tod verantwortlich ist?«
»Nein.« Das klang fest. »Höchstens moralisch gesehen. Es handelte sich um einen Unfall. Wir haben eine alte Untersuchung darüber aus Italien. Das Kind hat unbeaufsichtigt am Strand gespielt. Angelina ist verunglückt, weil ihre Eltern in einer schweren Ehekrise steckten und sie für eine Weile vergessen haben. Ihr Tod war eine Katastrophe, die zum übelsten Zeitpunkt passiert ist. Angelinas Schwester Anna …« Jaecklein tippte sich an die Stirn. »Es hat sie durcheinandergebracht. Für immer. Sie ist von Georg Krampe besessen. Auch heute noch. Er war damals der Liebhaber ihrer Mutter. Der Grund für die Krise.«
»Hm.« Bettina betrachtete den Kollegen vom BKA nachdenklich. »Aber nicht Angelinas Mörder.«
»Auf keinen Fall«, antwortete Jaecklein, sofort reserviert. »Davon war nie die Rede. Die Verantwortung für Angelinas Unfall liegt bei der Mutter, die nicht aufgepasst hat. Georg Krampe war nur der Auslöser für den ganzen Wirbel.«
»Warum hat Anna Oberhuber die Karten dann an seine Frau geschickt?« Bettina packte ihren eingeschweißten Keks aus und tunkte ihn in den kalten Kaffee.
»Na ja, er ist halt inzwischen tot.« Jaecklein hob die Achseln und tippte sich wieder an die Stirn.
»Eben«, sagte Bettina und fand die Sache mit der Postkarte plötzlich noch merkwürdiger als zuvor. »Wozu sich an seiner Witwe rächen?« Gregors Worte fielen ihr wieder ein: Meine Mutter ist langweilig.
»Ich fürchte, das ist so eins von diesen unlogischen privaten Rätseln, die wir einfach nicht lösen können. Das versickert irgendwie im Persönlichen. Dazu müsste man diese Leute studieren. Das ist unergiebig.«
Quatsch, dachte Bettina. Da wird es doch erst interessant. »Auch die Bombe hat Elisabeth getroffen. Nicht ihren verstorbenen Mann.«
»Schon, das ist aber was anderes.«
»Wieso?«
»Die Bombe stammt nicht von der Oberhuber.«
»Ihr Name steht drauf.«
»Das macht sie nicht automatisch schuldig. Außerdem lautete der Absender vermutlich gar nicht Anna, sondern Corinna Oberhuber.« Jaecklein betrachtete bedauernd seinen Salat und legte die Gabel ganz fort. »Mutter und Tochter änderten ihre Namen, als sie nach Deutschland kamen, und lebten bis zu Corinna Oberhubers Tod zusammen. Ihre Adresse war immer die gleiche. Das betreffende Wort auf dem Packpapier aber sieht ein klein wenig mehr nach -inna als nach Anna aus. Leider kann man es nicht mehr genau rekonstruieren. Das Fragment ist zu verbrannt. Wie auch immer, es ist sehr unwahrscheinlich, dass Anna Oberhuber den Sprengsatz gebaut oder auch nur selbst nach Darmstadt gebracht hat. Wir haben ihren gesamten Hof untersucht, ohne die geringste Spur von Schwarzpulver oder anderen explosiven Materialien zu finden. Und sie hat verschiedene glaubwürdige Alibis. Sie war es nicht.«
»Wer war es dann?«, fragte Bettina.
»Wenn wir das nur wüssten.«
»Können Sie es nicht aus der Art des Sprengstoffs oder so erschließen? Das BKA hat doch Erfahrung damit. Bomben kriegt man schließlich nicht an jeder Straßenecke.«
»Haben Sie eine Ahnung«, knurrte Jaecklein, beugte sich aber doch ein wenig vor und sprach: »Der Sprengsatz ist ein Rätsel. Meines Erachtens das größte in diesem Fall. Er trägt keine bekannte Handschrift. Von keiner Organisation, die wir beobachten. Es war eine Spießerbombe.«
»Bitte?«
»Einfaches Material, formvollendeter Zünder. Ganz sorgfältig gebaut. Mit allen möglichen Schnörkeln und Finessen. Bewegungsinduziert. Altmodisch. Supersolides Kunsthandwerk. Wenn Sie mich fragen, sollte die nie hochgehen. Dazu war sie viel zu hübsch. Und andererseits wieder zu – langweilig. Wenn Sie verstehen.«
»Nein.« Was konnte denn an einer Bombe langweilig sein?
»Na ja, Bomben sind geil. Wer eine baut, will, dass sie abgeht, verstehen Sie? Vielleicht steckt man wirklich Herzblut rein, bastelt subtile Sachen, meinetwegen, aber am Ende muss das Ding explodieren.«
»Ist es doch auch.«
»Ja«, sagte Jaecklein finster. »Schon. – Vergessen Sie das.« Er fuhr
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