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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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mehr Ruhe abgekriegt als ich, setzte sie in Gedanken hinzu.
    »Vielleicht schafft er es, aufzugeben«, sagte der Psychologe. »Er wird gefasster. Es wäre uns allen zu wünschen. Vor allem der Familie.«
    »Seine Frau hat ihn verraten«, sagte Bettina und zündete sich eine Zigarette an. »Fürs Geld. Das hat ihn umgehauen.« Sie hielt dem Psychologen die Schachtel hin. Er bediente sich, obwohl er so asketisch aussah. »Und ich hab sie angestiftet«, setzte sie leise hinzu. »Ich hab ihr das mit der Belohnung gesagt.«
    Er warf ihr einen Blick zu, sie hielt ihm ein brennendes Feuerzeug unter die Nase.
    »Gut, sie hat es verdammt blöd angestellt«, sagte sie. »Sie hat sich erwischen lassen.«
    »Ja«, sagte der Psychologe.
    Bettina seufzte tief. »Aber ich bin an allem schuld.«
    Er lächelte.
    Bettina blickte ernst zurück. »Nein, echt. Ich hab die Ballier zu dem Mord provoziert und diese dämliche geldgierige Hausfrau verführt.«
    »Verantwortung übernehmen ist meistens ein Zeichen von Unschuld«, sagte der Psychologe. »Und von kindhafter Selbstüberschätzung.« Er sah sie an und blies den Rauch aus dem Mundwinkel, so wie Gregor. »Die Kehrseite intuitiven Erfolgs.«
    »Ich fühle mich gar nicht erfolgreich«, sagte Bettina.
    »Das meine ich ja«, war die Antwort.
    Dann schwiegen sie und lauschten dem Donnern der Autobahn.
    Wieder zog sich der Einsatz in die Länge. Schneider hatte seine Frau anhalten lassen, Schneider war müde, Schneider wollte jetzt nicht mehr reden außer mit Dr. Ritter, und zwar persönlich. Er wollte das Geld. Und ob es den Beamten gefiel oder nicht: Ritter hatte allem zugestimmt. Er würde kommen. Er würde einen Experten und selbstverständlich auch die versprochene Belohnung mitbringen, um sein Buch sicher zurückzubekommen. Auf ihn wollten sie nun warten, solange sich nichts anderes ergab. Das tat es nicht. Nur ab und zu rief Ebert in dem roten Audi an, ohne Neues zu bewirken oder zu erfahren. Das Auto stand etwa 30 Kilometer vor der Raststätte, an der sie ihre Einsatzzentrale aufgeschlagen hatten, auf dem Rastplatz Höllberg. Dieser war für den allgemeinen Verkehr gesperrt, ohne dass die Beamten dort sich dem Fluchtfahrzeug näherten. Man zog nur unauffällig mehr Leute zusammen. Die Geiseln sollten nicht gefährdet werden. Wobei der Gesundheitszustand der Tochter mit einiger Sorge als labil eingestuft wurde. Man hörte nichts von ihr, und das war verdächtig. Bettina hatte den Drogenverdacht zur Sprache gebracht, doch Ebert konnte den Vater nicht dazu bringen, darauf einzugehen. Der Geiselnehmer redete nicht einmal mit seiner Frau darüber. Das Kind war krank und fertig, und vielleicht stimmte das sogar. Die Beobachter auf dem Höllberg berichteten, Schneider döse und halte dabei die Waffe in der Hand, auf seine Frau gerichtet. Das war einerseits eine Hoffnung – möglicherweise würde der Entführer einfach einschlafen –, andererseits aber auch eine brandgefährliche Situation, weil jede Veränderung, ja sogar das Telefon ihn aufschrecken und einen Schuss auslösen konnte. Doch solange die Hoffnung bestand, dass Dr. Ritter durch sein bloßes Kommen deeskalieren würde und zumindest das kleine Mädchen befreit werden konnte, wollten sie nichts weiter unternehmen. Und so gab es nichts zu tun als warten.
    Und warten.
    Eine Autobahnraststätte war eine Insel. Man konnte dem Rauschen zuhören, man konnte Millionen Durchreisende abzocken, man konnte stranden. Bettina tat Letzteres. Sie verließ den Bus und folgte den strahlend bunten Lichtern ins taghell erleuchtete Innere des Rasthofs. Dort hatte sie die Wahl zwischen einem Kaffee im Pappbecher aus dem Automaten, einem Wasser aus dem Shop oder einem Besuch im Restaurant. Es war ein mediterranes Restaurant. Viel Grünzeug unter bläulichem Licht. Spiegelnde Gläser. Terrakottafarben gewischte Wände. Natürlich. Ohne große Lust darauf zu haben, kaufte Bettina einen Kaffee in einer Porzellantasse und suchte sich einen Platz in einer leeren Familiennische. Sie vermisste ihre Kinder. Automatisch rutschte sie ganz ans Ende der Bank und stellte sich vor, sie säße hier wie all die Glücklichen, die sich nur abzocken ließen. Teil einer Familie auf dem Weg in die Ferien. Mama mit strengem Blick aufs Reisebudget. Ehefrau eines Sorglosen, der den Kindern ein ungesundes Menü mit Pommes spendierte. Sie würde schimpfen, natürlich. Sie wären fröhlich. Sie würden nach Italien fahren, aber nicht nach Rom. Irgendwohin, wo nur die

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