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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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beschäftigte sich ohnehin viel mit Waffen und Munition aller Art. Es ist gar nicht weiter aufgefallen. Niemandem. Er hat lange und ausführlich an dieser Arbeit gesessen, und als sie beendet war, hat er den Keller aufgeräumt, sein Werk verpackt und den Namen Ihrer Mutter draufgeschrieben. Oder Ihren. Je nachdem, wen er für den Absender dieser Postkarten hielt. Und wann immer er Post von Ihnen bekam, konnte er sich zumindest in Gedanken schadlos halten.«
    »Ich hab ihm nie was getan.«
    »Sie haben seine Frau behelligt.«
    Oberhuber zögerte. »Aber die hat es verdient!«
    Jetzt, dachte Bettina. Jetzt sagst du es mir. Bitte. »Warum?«
    »Er hat uns doch nie geantworrtet.« Die Wahrsagerin heulte schon wieder. »Er hat uns nicht mal zurrückgeschrrieben. Wozu sollt’ er eine Bombe bauen, des kann doch gar net sein. Er hat meine Mutter geliebt.«
    Bettina seufzte innerlich. »Er hat sich für seine Frau entschieden.«
    »Für eine … eine …«
    Ja, dachte Bettina. Komm, gib’s ihr, Baby.
    »Sie hat das gemacht! Sie hat den Namen von meiner Mutter drraufgeschrrieben!«, rief Anna Oberhuber naiv.
    »Und dann selbst ausgepackt.«
    Schweigen.
    »Frau Oberhuber«, sagte Bettina schärfer. »Ich weiß nicht, was Sie mit Ihren Ansichtskarten bezweckt haben, ich weiß ja nicht mal, was draufstand. Es ging vermutlich um den schlechten Zustand Ihrer Mutter. Herr Krampe hätte sie aus der Depression und den miesen finanziellen Verhältnissen retten können, und Sie fanden wohl, dass er Ihnen das schuldig war, weil er eine moralische Mitschuld am Tod Ihrer Schwester trug. Direkt anklagen wiederum wollten Sie ihn nicht, um ihn nicht zu vergraulen. Darum haben Sie seine Gattin gemobbt. Weil die erwiesenermaßen die Dumme in der Geschichte war. Sie ist in den Flitterwochen betrogen worden. Eine schlechtere Position gibt es kaum in einer Ehe.«
    Oberhuber schnaubte. »Diese Frrau!«
    »Sie handelten nur logisch, Frau Oberhuber«, sagte Bettina sehr kühl. »Sie quälten diejenige, die Sie sowieso loswerden wollten. Dabei ist Elisabeth Krampe – jetzt mal objektiv gesehen – die unschuldigste Partei in dem Drama. Sie hatte keine Affäre, hat ihren Mann nicht verlassen, sie hat niemandem böse Briefe geschrieben, keine Bombe gebaut, und vor allem hat sie nicht vor lauter selbstgemachten Problemen ihr Kind vergessen, sodass es ertrunken ist.«
    So, dachte sie ungeduldig. Wenn das nicht wirkt, dann soll Jaecklein mit ihr reden.
    Doch Anna Oberhuber hielt die Stunde für gekommen. Sie räusperte sich. Sie atmete durch. Dann sagte sie fest: »Elisabeth Krrampe ist nicht unschuldig. Sie ist eine Mörderrin. Sie hat meine Schwester getötet.«
     
    * * *
    Lisa träumte. Sie lag am Strand, die Sonne brannte. Georg war mit dem Weib zu dem Wäldchen in Richtung Landesinneres gegangen, um in Ruhe zu reden. Das, was sie selbst gewollt hatte, bekam – selbstverständlich – die andere. Und sei es nur ein Gespräch. Dafür durfte sie nun fremde Kinder beaufsichtigen. Zwei süße Blondinen, eine ganz hübsch, die andere wunderschön. Die Hübsche betrachtete Lisa verächtlich, sie war sieben und hatte helle unfreundliche Augen. Wer bist du, sagte ihr Blick, du bist nichts. Du bist die Frau des Mannes, der uns kaputtgemacht hat, du bist aus der Ferne gekommen und eine von den Bösen, aber die armseligste Figur überhaupt in diesem Grauen, das über uns hereingebrochen ist. Dir werd ich’s zeigen. Sie nahm eine Handvoll Sand und warf sie auf Lisa. Lisa war dumm und unglücklich genug, um zu lachen. Ha, ha, ein Spiel, fein, aber hör doch auf damit. Das Mädchen nahm eine größere Portion Sand und warf härter. Lisa lachte nicht mehr und warf halbherzig zurück. Darauf fand das Mädchen einen Stein. Er traf Lisa an der Brust. Es tat sehr weh. Lisa stöhnte. Tränen schossen ihr in die Augen. Das jüngere Kind kam heran, lachte und half der älteren Schwester. Lisa wurde mit allem bombardiert, was die beiden fanden. Und da – endlich – wurde auch sie hysterisch und begann zu kreischen. Sie schrie und schrie und hörte sich selbst nicht mehr, der weiße Zorn verschloss ihre Ohren, ihre Kehle war heiser und ihre Stimme schrill. Am Ende stand sie erschöpft da, vor sich eine weinende Vierjährige und ein bösartig grinsendes Schulmädchen. Dir hab ich’s gegeben, sagte deren ganzes Gehabe. Die Art, wie sie in ihrer Tasche kramte, und der Ton, in dem sie mit ihrer Schwester sprach, während sie Lisa anblickte, waren verächtlicher als

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