Die Herzen aller Mädchen
meine kleine Schwester Angelina ertrränkt.«
* * *
Lisa träumte. Sie stand im Wasser und das Kind sah sie an, fragend, strahlend bis zuletzt: Was hast du mit mir vor, was ist das für ein Spiel.
Vierzehn
Am Sonntag stand Bettina um fünf Uhr auf, weil sie nicht mehr schlafen konnte. Sie schrieb einen langen Bericht an Jaecklein und verschickte ihn von ihrem hübschen neuen Laptop aus. Dann fühlte sie sich leer. Sie hing den Vormittag mit ihren Kindern auf einem Spielplatz herum, gab ihnen Fast Food zu essen, räumte Ennos Schulranzen auf, und gegen Nachmittag hielt sie es nicht mehr aus. Sie rief Hardrock-Erika an, lud ihre Kinder bei ihr ab und fuhr nach Frankfurt. Nicht zu Gregor. Zu seiner Mutter ins Krankenhaus. Dort wies sie ihren Polizistinnenausweis vor und wurde nach einigen Diskussionen auf die Intensivstation gelassen. Sie saß lange an Elisabeth Krampes Bett, lauschte dem Rhythmus des Beatmungsgeräts, betrachtete die maskenhaften Kompressen, die das Gesicht und den Oberkörper der Patientin bedeckten, und dachte nach.
Eine Schwester, die vorbeischaute und die Geräte überprüfte, sah Bettina interessiert an und erklärte, der Zustand der Patientin habe sich in den letzten Tagen verändert. »Sie kämpft. Das ist der Wendepunkt. Entweder sie stirbt in der nächsten Zeit oder sie schafft es.« Damit las sie einen Wert von der Maschine, die Elisabeth Krampes Beatmung regelte, und trug ihn auf dem Diagramm ein, das gleich einer Fieberkurve am Fußende des Bettes befestigt war.
»Und was glauben Sie?«, fragte Bettina.
Die Schwester zuckte die Achseln und warf Bettina einen prüfenden Blick zu. »Sind Sie verwandt?«
»Würde das Ihre Antwort beeinflussen?«
»Natürlich«, sagte die Schwester ehrlich. In der Spätschicht hielt man sich nicht mit Floskeln auf.
»Ich bin Polizeibeamtin.«
»Sie kommt durch.«
»Woraus schließen Sie das?«
»Gefühl.«
Bettina nickte und sagte, die vielen Kompressen auf dem Gesicht der Verletzten erinnerten sie an diese Frau aus Brazil , die mit den Schönheitsoperationen. Darauf guckte die Schwester befremdet, beendete wortlos ihre Arbeit und ging.
Zum Verlassen der Station wählte Bettina von zwei Aufzügen, die sich vor ihr öffneten, den rechten. Sie stieg ein und sah durch die halb offene Tür einen schlanken, hellhaarigen Mann im grauen Mantel, der soeben aus dem linken gestiegen sein musste. Gregor wandte den Kopf und sah sie an. Seine Augen weiteten sich. Eine Sekunde blieb er starr stehen, dann bewegte er sich auf sie zu, stumm, aber zielstrebig. Spontan. Doch die Tür schloss sich. Bettina fuhr nach unten, klappte ihren Kragen hoch und verließ rasch das Haus. Ob Gregor ihr folgte, sah sie nicht.
Abends schaltete sie das Handy stumm und konnte doch nicht schlafen. Die nächsten Nachmittage verbrachte sie mit Aufräumen. Sie wienerte ihre Küche, das Schlafzimmer, das Bad, ja die ganze Wohnung inklusive der Fenster, und die hatte sie noch nie geputzt. Außerdem ihr Auto. Sie schrubbte den alten Taunus mit einer Energie, dass Rasta, der auf dem Parkplatz vorbeikam und sie sah, den richtigen Schluss zog: »Du hast Ärger mit deinem Liebhaber, Tina.«
Sie hob den Kopf aus dem Auto, schwenkte ihren Lappen und sagte stirnrunzelnd: »Welcher Liebhaber?«
»Der Typ, für den du diesen Rock gekauft hast. Der war verdammt scharf, der Rock.«
»Welcher Rock?«, sagte Bettina.
Rasta schüttelte den Kopf. »Entschuldige, dann war es wohl eine andere Frau, die mich vor einer Woche total aufgebrezelt angefleht hat, ihr Babyfon zu bewachen. Und die mich danach nie abgehört hat, übrigens. Die nicht mal ihr Babyfon abgeholt hat. Oder die Schlüssel.«
»Entschuldige«, sagte Bettina zerknirscht.
»Ist er nett?«, fragte Rasta.
Sie seufzte.
»Tina«, sagte er. »Nimm einen Rat von mir an. Ein Typ, für den du einen Rock kaufst, ist der Richtige, egal ob er Mundgeruch hat oder eine Ehefrau oder sonst was. Hör auf, deinen armen Taunus zu quälen. Du weißt, der verträgt es nicht, wenn du ihm zu viel Dreck abhobelst. Die Karre wird auseinanderfallen, wenn du so weitermachst. Geh hin, nimm dein Telefon, und ruf den Typen an.« Rasta blickte ihr ernst ins Gesicht.
»Ich hab ihn auf der Arbeit kennengelernt«, sagte Bettina finster. »Und nenn mein Auto nicht Karre.«
»Und?«
»Was und?«
»Was ist schlimm daran, einen auf der Arbeit kennenzulernen?«
»Er ist in einen Mordfall verwickelt.«
»Dann klär den«, sagte Rasta in schönster
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