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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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alles, was Lisa bislang erlebt hatte. Du bist ein Opfer wie ich, sagte dieser Blick, uns haben sie hier gemeinsam zurückgelassen, aber ich habe zumindest meine Würde bewahrt. Und ich bin hübscher als du. Ist keine große Kunst, aber wir wollen es doch nicht vergessen. »Ich guck mal, wo Mama bleibt«, sagte sie nonchalant, und Lisa wäre die Letzte gewesen, die sie aufgehalten hätte. »Du bleibst hier, Angelina.« Angelina jammerte und lief ihrer Schwester nach. Die aber war so schnell, dass die Kleine nicht nachkam. Sie blieb zurück und weinte. Bitterlich.
     
    * * *
    »Und uns«, sagte Anna Oberhuber, »haben sie bei ihr gelassen. Diese Frrau war böse.« Sie schluchzte. Schon die ganze Zeit.
    Bettina gab sich keine Mühe, zu trösten. »Was ist passiert?«, fragte sie.
    »Ich bin auch weggegangen«, heulte Oberhuber auf. »Ich hab sie allein bei ihr gelassen. Ich wollte nur meine Mutter suchen. Ich hätte sie mitnehmen müssen. Wie konnte ich sie nur mit dieser – dieser – ach! allein lassen …!«
     
    * * *
    Lisa träumte. Sie saß versteinert am Strand, ganz voll Sand, ihr Hals schmerzte vom Schreien. Etwas entfernt von ihr weinte das kleine Mädchen. Es nervte sie. Sie hatte Lust zu gehen. Sie wollte selber weinen, sie wollte nach Hause zu ihrer eigenen Mutter, sie wollte weg hier, so schnell es nur ging. Sie packte ihre Tasche zusammen. Die Kleine schluchzte nicht mehr ganz so laut. Sie stand verloren da, blickte abwechselnd zu ihrer Schwester, die schnell am Waldesrand verschwand, und zu Lisa. Hoffnungsvoll. Dieses Kind war wunderschön, und wenn es hier allein blieb, konnte ihm alles Mögliche passieren. Es war zu klein, um es allein zu lassen. Lisa nahm den Ball, den die Kleine eben noch auf sie geworfen hatte, und ließ ihn auf dem Finger kreiseln. Die Kleine sah ihr zu. Sie lächelte vorsichtig. Dann kam sie näher.
    »Ich hab sie gefunden«, sagte Anna Oberhuber tonlos, »sie haben geknutscht.«
    »Hm«, machte Bettina. »Und dann?«
    »Dann hat Georrg gesagt, dass er mein neuer Vater wird.«
    »Und dann?«
    »Wir haben geredet. Wie wir es ihr sagen. Dann sind wir zurrückgegangen.«
    »Weiter.«
    »Aber als wir zurrückgekommen sind, da, da war – Angelina weg.« Oberhuber schluchzte laut. Jetzt hörte es sich sogar echt an. Sie schniefte. »Sie war weg, und diese Frrau, die ist rumgelaufen und hat sie gesucht und hat gesagt, dass sie nur mal Pipi machen war und Angelina nicht weg sein kann und dass sie gleich wiederkommen wird, aber sie ist nicht wiedergekommen!« Tiefes, verzweifeltes Heulen.
    »Frau Krampe hat nicht aufgepasst«, sagte Bettina nach einer Weile. »Aber das von ihr zu erwarten, war auch ein wenig blauäugig, nicht wahr?«
    »Sie hat es absichtlich getan.«
    »Können Sie das beweisen?«, fragte Bettina, ohne eine Sekunde daran zu glauben.
    »Na ja, sie hat dadurrch gekrriegt, was sie wollte. Georrg ist drrei Tage später mit ihr abgerreist. Angelinas Tod war zu viel für ihn.«
    »Ja, ich glaube, er war ein sympathischer Mann«, sagte Bettina.
    Oberhuber zögerte kurz. »Eigentlich net.«
    »Aber diese Abreise ist kein Beweis.«
    »Ich hab einen«, sagte Oberhuber geheimnisvoll.
    »Bitte keine posthumen Gespräche mit Ihrer Schwester«, sagte Bettina nur.
    »Es ist fei ein weltlicher«, sagte Oberhuber beleidigt. »Leider ist es mir erst Jahrre später aufgefallen, das war die grrößte Unachtsamkeit in meinem Leben. Dass ich nicht gleich gemerrkt habe, dass es was zu bedeuten hatte. Ich war errst sieben, aber ich hätt es sagen müssen.«
    »Was?«
    »Es war so«, sagte Oberhuber. »Diese Frrau. Sie ist rumgelaufen und hat gesucht und hat immer gesagt, dass sie die ganze Zeit am Strrand war, nur in der Sonne und dann mal kurrz im Wald und sonst nix, aber das hat nicht gestimmt. Ihr Badeanzug, wissen Sie. Das war einer aus so komischem Stoff, wie man ihn damals hatte, Nylonzeug, aber ganz dick, wie Brrokat. Und weil sie so nerrvös rumgelaufen ist, weil alle so nerrvös rumgelaufen sind, bin ich an sie drrangestoßen. Sie war ganz nass. Man hat es nicht gesehen, bei dem Stoff hat man das nicht sehen können. Aber sie warr’s. Meine Mutter war entsetzt, als ich ihr davon erzählt hab. Sie wollte nichts davon wissen. Sie hat mir das Versprrechen abgenommen, mit keinem drrüber zu reden.« Oberhuber machte eine kurze Pause. »Sie wollte keine Skandale mehr, nie wieder. Es hätte sie umgebrracht. Aber ich weiß es. Die Frrau vom Georrg ist mit ihr ins Wasser gegangen. Sie hat

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