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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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und fand sich selbst unausstehlich. Das Leben bestand nun mal aus Unzulänglichkeiten, Unglücken und Rätseln, die Natur hatte ihre kahlen Perioden. Staubfreie Armaturenbretter und makelloser Lack waren eine Legende der Automobilwerbung, jede Mutter starb und ein Eigenheim mit herziger Ehefrau und Kind war auch nicht der Himmel. Der Himmel, das war allerhöchstens ein Vector W8. Achtzehn Stück davon gab es auf der Welt. Und einer davon kauerte rassig auf einer Erdscholle vor dem Kloster.
    Bianca war da.
    Gregor parkte seinen Citroën direkt neben dem Vector, eng und hübsch parallel, obwohl der Platz so weit und frei war wie ein Fußballfeld. Dann folgte er Biancas Spur ins Haus.
    Er fand sie im Zellentrakt des Klosters, sie hatte alle Türen und Fenster aufgerissen, Licht flutete den sonst finsteren Gang, kalte Frühlingsluft strömte herein. Es roch nach Erde und aufbrechenden Knospen und nach Biancas süßem Jasminparfum. Mit einem Handy am Ohr lief sie auf und ab, sprach leise hinein, fuhr mit dem Finger über den Rahmen eines der Gemälde, die in dem breiten Flur hingen, und runzelte die Stirn. Als Gregor sie erreichte, hielt sie ihm anklagend den staubigen Finger hin und küsste ihn flüchtig auf die Wange. »Am Wochenende«, sprach sie mit gesenkter Stimme ins Telefon, »haben wir den Empfang. Alle werden da sein, Hannelore. Dr. Ritter, seine Frau, der Bürgermeister, der Abgeordnete, der Kultusminister –« Sie lauschte. »Oh«, sagte sie dann. »Gut. Bringen Sie viel Zeit mit, Hannelore. Und am besten noch Ihre Freundin, die Frau – natürlich. Hier ist Großreinemachen angesagt. Frau Dr. Ritter legt großen Wert auf Sauberkeit. Darin zeigt sich der wahre Adel. Ach wie gut. Dann bis gleich, Hannelore.« Sie drückte einen Knopf und lächelte Gregor zu.
    »Bianca, mein Schatz.« Er reichte ihr einen geblümten Schal, den er auf der Treppe in der Halle gefunden hatte.
    Bianca hängte ihn lässig über ihre Schulter. »Hallo, Gregor. Tja, am Wochenende ist Party. Du bist der Ehrengast.«
    »Nein«, sagte Gregor sofort.
    Bianca lächelte breit. »Auf unseren Starbibliothekar können wir aber nicht verzichten. Du ziehst dir was Schwarzes an, einen Rolli oder so, ein bisschen Boheme, du bist der Künstler, verstehst du? Dr. Ritter wird die Leute herumführen, du sagst kluge unverständliche Sachen. Sie sollen sehen, dass wir einen echten Intellektuellen haben.« Sie grinste und betrat eines der leeren Zimmer. Dort legte sie ihren Schal auf die Fensterbank.
    »Wer soll das sehen?« Gregor ging ihr nach.
    »Bürgermeister, Abgeordneter und Kultusminister.«
    »Aus welchem Anlass?«
    »Weißt du doch. Der Ovid kommt zurück von der Restauratorin.«
    »So wie jedes Wochenende.«
    »Aber dieses ist ein besonderes.« Bianca drehte sich zu ihm und lächelte sonnig.
    Gregor wurde ein wenig schwummerig. »Wieso?«, fragte er vorsichtig.
    »Hör mal, du bist doch der Kurator. Du hast befohlen, dass unser armer Ovid auseinandergenommen werden soll, erinnerst du dich?«
    »Natürlich. Aber das passiert doch erst in vierzehn Tagen.«
    »Schon«, sagte Bianca und zog einen winzigen Kalender aus ihrer Tasche. »Aber kurz drauf geht das Buch in die Faksimilierung und wird jahrelang auseinandergepflückt bleiben. Dr. Ritter will es noch mal im vollständigen Zustand sehen, weißt du? Medea und überschriebene Ovid-Texte sind wunderbar spannend und weltbewegend, das wissen wir alle, aber das eigentlich Lustige sind doch die Bilder, stimmt’s?« Sie zog die Nase kraus. »Und wie sie vor dem bösen Abt in diesem kleinen frechen Büchlein versteckt wurden. Damit kann man die Leute rühren. Und das müssen wir, denn wir wollen diesen Zuschuss vom Kultusministerium. Dann kannst du noch viel mehr spannende Bücher kaufen, Greg, mein Schatz.« Bianca strahlte.
    »Okay«, sagte Gregor ohne Begeisterung. »Samstag ist ein bisschen kurzfristig.«
    Bianca seufzte charmant. »Wem sagst du das. Zwanzig Übernachtungsgäste und wir haben noch keine Möbel.«
    »Verschiebt es doch«, bat Gregor inbrünstig.
    »Na ja, du hast den Termin vorgegeben, Greg, und Dr. Ritter hat auch nicht jeden Tag Zeit. Die nächsten vierzehn Tage sind voll.« Sie blätterte im Kalender. »Da wären zwei Vorstandssitzungen, eine wichtig, die andere lästig, eine Aktionärsversammlung, eine Filialeröffnung, das normale Tagesgeschäft und nicht zu vergessen der achtundfünfzigste Geburtstag von Frau Dr. Ritter.« Bianca lächelte unschuldig. Sie nannte die Gattin

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