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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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»Aber nicht von einem Bagger aus.« Sie sah Bettinas Gesicht und lächelte entschuldigend. »Nun bin ich die Unkorrekte.«
    »Nur zu«, sagte Bettina.
    »Wissen Sie, interessant an dieser Bauarbeitergeschichte finde ich – wie soll ich sagen –, dass sie gerade jetzt auftaucht. Und dass Marny sie erzählt hat.« Ballier überlegte. »Man fragt sich, was in der nächsten Zeit hier so alles geplant ist.«
    »Party am Samstag«, sagte Bettina.
    »Ach.« Ballier kniff kurz die Augen zusammen. »Mehr aber noch wundert mich, dass Marny plötzlich Streit mit Herrn Krampe haben soll.«
    Bettina hob die Achseln. »Die beiden waren eben sehr angespannt.«
    Ballier fuhr sich geistesabwesend mit der Hand durch ihre komisch braun gefärbten Haare, sodass sie steil nach oben abstanden. »Tja, bei dem Baggerfahrer wiederum könnte ich mir sogar vorstellen, dass er seine Scheu vor der Wissenschaft ganz spontan überwunden hat. Für unsere kleine Marny. Die ist ja ein bisschen knackiger als so ein altes Buch, besonders vermutlich in den Augen eines rohen Proletariers.« In ihren Augenwinkeln saß schon wieder der Spott. Sie tätschelte Bettinas Arm. »Aber gehen Sie auf jeden Fall seine Schuhe überprüfen, meine Gute. – Und jetzt mal unter uns, was verstecken Sie eigentlich in dieser Plastiktüte? Etwa ein Buch?«
    Bettina blickte verwirrt auf die Tüte. Die hatte sie ganz vergessen.
    »Na?«
    »Ein Fremdwörterlexikon«, log sie.
     
    Auf dem Parkplatz sah sie sich der Ballier’schen Spöttelei zum Trotz sofort nach dem blonden Baggerfahrer um. Doch die grellgelbe Maschine stand verlassen auf einem Erdhügel in der Sonne. Der Wind blies in Bettinas Nacken und zerrte an ihrer kurzen Jacke. Sie klappte den Kragen hoch, drehte ihre Haare zusammen und stopfte sie hinein, dann wanderte sie frierend umher. Das Anwesen war groß. Eines der alten Wirtschaftsgebäude, eine Art Scheune mit halb offener Längsseite und einer kleinen Galerie, die ein sehr schönes hölzernes Geländer besaß, befand sich offensichtlich im Umbau. Teile des Hauses waren eingerüstet, eine Palette mit bräunlichen Steinen stand davor, zwei Spitzhacken und zwei Spaten lehnten daran. Aus der Scheune selbst drang blecherne Musik. Bettina folgte ihr und landete in einem düsteren hohen Raum mit Lehmboden. In einer der Ecken saß eine Gruppe von Männern um einen kleinen Campingtisch. Ein Transistorradio plärrte.
    »Hallo!«, rief Bettina.
    »Mahlzeit!«, grüßten die Männer zurück. Es waren fünf Leute, mit Zeitungen und Brotdosen vor sich. Mittagspause.
    »Arbeiten Sie hier?«, fragte Bettina, schniefte und rieb sich die Hände, hier drin blies kein Wind, aber kühl war es trotzdem.
    Die Leuten nickten, man sah ohnehin, dass sie vom Bau waren. »Abb un zu«, sagte einer und grinste.
    »Boll vom Bundeskriminalamt«, stellte Bettina sich vor.
    Die Männer schauten nur vage neugierig. Einer biss in sein Brot, ein anderer schenkte sich aus einer Thermoskanne Kaffee nach, ein dritter blätterte seine Zeitung um. Der einzige Blonde in der Runde betrachtete Bettina aufmerksam, doch dann beugte er sich zurück und kramte in einem Rucksack. Sie sah einen leeren Stuhl und zog ihn heran, setzte sich aber nicht.
    »Wir machen hier eine stichprobenartige Sicherheitsprüfung, weil in der Bibliothek wertvolle Kulturschätze untergebracht sind, deren Erhaltung im besonderen Interesse der Bundesrepublik liegt«, improvisierte sie und zog ihren Polizistinnenausweis hervor. »Darf ich daher um Ihre Namen und Adressen bitten? Das ist eine reine Routinesache. Es wird nicht lange dauern. Ich möchte nur exemplarisch Ihre Personal- und Sozialversicherungsausweise sehen und wissen, für wen Sie arbeiten.«
    Die Männer taten sofort wie geheißen und kramten unter Gemurmel Ausweise aus Hosentaschen und Jacken hervor. Niemand stellte Bettinas Autorität in Frage. Es war fast unheimlich: Sie konnte sich nicht erinnern, dass ihr eine Gruppe von Männern je dermaßen selbstverständlich gehorcht hätte. Entweder waren die Leute vom Bau Kontrollen gewöhnt oder es stimmte eben doch, dass eine gewisse Terrorhysterie im Land die Polizeiarbeit erleichterte. Man bot ihr den Stuhl an, den sie sich geholt hatte, sie bekam eine schmutzige Tasse voll Kaffee geschenkt und dann fraglos sämtliche Ausweise präsentiert. Und während sie die Personalien der Leute notierte und den schrecklich bitteren Kaffee trank, betrachtete sie verstohlen die Schuhe des Blonden, Marc Schneider hieß er. Es waren

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