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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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lüge nicht«, sagte Bettina im selben Ton und schaffte es, Syra gerade in die Augen zu blicken.
    »Gut«, sagte die nach einem stummen unentschiedenen Messen. »Sie haben bis heute Abend Zeit, um diesen Arbeiter aufzutreiben. Beweisen Sie, dass er es war, dann nehme ich Krampe nicht fest und Sie können zusammen tun und lassen, was Sie wollen, ohne dass ich Sie an die Luft setze. Nehmen Sie Jaecklein mit, damit ich sicher sein kann, dass Sie korrekt arbeiten. Rufen Sie mich an. Ich werde immer erreichbar sein.«
    »Okay«, sagte Bettina.
    »Und, Frau Boll?«
    »Ja?«
    »Wenn dieser Arbeiter unschuldig ist und Sie ihn wissentlich benutzen, dann werde ich das herausbekommen.«
    Bettina nickte.
    »Sie werden nie mehr als Polizistin arbeiten.« Syra lächelte bösartig. »Was unheimlich schade wäre bei Ihrem Talent.«
    Zehn
    Der Baumaschinenführer Marc Schneider lebte in Haßloch, einem Ort, der weit genug weg war von Rosenhaag und nah genug dran an Ludwigshafen, dass sie mit zwei Autos fuhren. Bettina wollte ihre Kindersitze bei sich haben, um sich zumindest die Illusion zu erhalten, sie könnte die Kids jederzeit abholen. Außerdem schreckte Volker Jaecklein beim Anblick ihres Taunus merklich zurück. In diese alte Kiste würde er nicht steigen, das musste er nicht mal sagen, das sah man an seinem entsetzten Gesicht, dies war ein Auto an der Grenze zu Unmoral und sozialem Abstieg, und ein Jaecklein reiste standesgemäß im BMW. Allein wegen der PS. Also reisten sie getrennt, und Bettina hatte ein paar Minuten Zeit zum Rauchen und Nachdenken. Doch sosehr sie auch rauchte und dachte, die erlösende Idee, die alle Ereignisse rund um Krampe und seinen Ovid auf einen Nenner brachte, wollte nicht kommen. Vermutlich gab es diesen Nenner nicht. Der alte Ovid war ein Autor der Wandlungen, sein Buch enthielt nicht nur eine Geschichte, sondern einige, angesammelt durch die Jahrhunderte, jede von einer jeweils anderen erzeugt, Gedanken, die auf menschliche Wirte übergesprungen und weitergedacht worden waren, in verschiedene Richtungen, zu verschiedenen Zeiten, unabhängig voneinander und nur locker zusammengehalten von dem alten Buch. Sie waren noch da, doch sie versteckten sich hinter den Texten, in den Bildern, an den Rändern und in den Buchdeckeln, und nüchtern betrachtet waren sie nur Leder, Leim, Farbe und Hanfschnur.
    Bettina stiegen ganz plötzlich Tränen in die Augen. Sie wollte Gregor. Sie wollte die Zeit zurückdrehen und den gestrigen Tag noch einmal erleben. Sie wollte ihre Kinder abholen und Familie sein. Sie wollte zumindest eine Tom-Waits-CD. Doch nichts davon konnte, durfte oder hatte sie. Und da war die Ausfahrt nach Haßloch. Bettina zog die Nase hoch, wischte sich hart über die Augen und bog ab.
     
    Marc Schneider war zu Hause, er lebte in einer hübschen Straße mit properen Fertighäusern, aufgerüschte Einfamiliendomizile mit Gärtchen und winzigen Fischteichen und großen Garagen und Ostergestecken vor der Tür.
    »Nette Gegend«, sagte Jaecklein anerkennend, als sie vor dem Eingang standen und die melodische Türglocke erscholl, und Bettina sah ihn von der Seite an und fragte sich, ob er das wirklich ernst meinte.
    Dann stand Schneider vor ihnen. Er war groß und blond und besaß eine vage Ähnlichkeit mit Gregor, die Bettina zuvor nicht aufgefallen war, weil sie sich in Haarfarbe und Körperbau erschöpfte, der Mensch selbst sah völlig anders aus, jünger an Jahren, aber ungeschlachter. Höflich, doch mit aggressiver Haltung und Argwohn in den Augen wünschte er guten Tag. Er hat uns erwartet, sagte etwas in Bettina. Wieder blickte sie Jaecklein an, der trug plötzlich eine Sonnenbrille und sah aus wie ein Typ aus Miami Vice.
    »Hallo«, erwiderte er den Gruß und schaute unwillkürlich zurück zu seinem schwarz glänzenden BMW, der dekorativ direkt vor der Tür stand. »Boll und Jaecklein vom Bundeskriminalamt. Sind Sie Herr Marc Schneider?«
    Schneider nickte.
    Jaecklein trat sofort ins Haus. »Wir haben Fragen an Sie.«
     
    Man hatte sie erwartet. Bettina hätte ihren Taunus darauf verwettet. Es war alles so aufgeräumt, so statisch, so erstickend unberührt. Frau und Kind vorm Fernseher, kein Geschirr auf dem Couchtisch, nicht mal ein Becher für die Kleine, und nichts, was darauf schließen ließ, dass Marc Schneider vor ihrer Ankunft irgendetwas getan hatte außer putzen. Diese Leute spielten normales Familienleben, ohne die geringste Ahnung, wie das aussah. Schneider bot Kaffee an. Sie

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