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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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Berufskriminellen nicht unter den Verbraucherschutz fällt. Dass der komplizierte Teil erst kommt und dass sie da draußen bei den bösen Jungs allein auf die Gewitztheit ihres Mannes angewiesen sein wird, wenn sie nicht sehr schnell zurück auf die richtige Seite findet. Mehr können wir heute nicht tun.« Sie wandte sich zum Gehen.
    »Moment«, sagte Jaecklein. »Wo wollen Sie hin?«
    Bettina schaute auf ihre Uhr. Es war spät. Schrecklich spät.
    »Ich muss jetzt meine Kinder abholen«, sagte sie und dachte an die apathische Lea. Am Ende waren es immer die Kleinen, die alles abkriegten. »Aber Sie haben recht.« Sie streckte ihre Hand aus. »Wir sollten in Kontakt bleiben. Geben Sie mir Ihre Telefonnummer, bitte.«
    Automatisch griff Jaecklein in seine Jacketttasche und reichte ihr eine Karte. Dann erst stemmte er die Fäuste in die Seiten. »Also jetzt geht’s aber – sind Sie verrückt?! Wir sind hier längst nicht fertig, die Spurensicherung trifft demnächst ein, und das ist Ihr Ding. Sie wollen diesen Schneider drankriegen, Sie wollen Ihren superverdächtigen Freund retten!«
    »Ich«, sagte Bettina würdig, »bin Polizistin. Ich will keine Verdächtigen retten.«
    Jaecklein klappte seine Brille runter. »Sie lassen mich also allein auf die Spusi warten?«, fragte er drohend.
    Bettina seufzte. »Sie werden es nicht glauben«, sagte sie, »aber ich bin nur eine Halbtagskraft. Meine Kinder erwarten mich seit fünf Stunden, und ich habe genug getan. Mehr geht nicht.«
    »Ach ja?«
    »Ja. Ich habe Frau Schneider zugeflüstert, dass Dr. Ritter eine Viertelmillion für die Wiederbeschaffung des Buches zahlt, und sie weiß, dass ihr unsensibler Mann es nicht packen wird, sich gegen seine kriminellen Geschäftspartner und die Polizei zu behaupten, und dass sie momentan Gefahr läuft, überhaupt nichts zu kriegen und noch eine Strafe als Mittäterin obendrauf. Ich hab ihr geraten, das Lösegeld zu nehmen. Es ist verdammt viel. Und wenn Sie da drin nicht den Ehevermittler spielen würden, dann würde das vielleicht auch sacken.«
    »Sie wird ihren Mann nicht verraten.«
    »Wer weiß«, sagte Bettina und rieb sich die Stirn.
    »Denken Sie an die Schande. Der Ehemann im Gefängnis.«
    »Denken Sie an das Geld. Eine Viertelmillion sicher.« Bettina blickte tief in Jaeckleins spiegelnde Augengläser. »Und keiner, der es mit ihr ausgibt«, fügte sie an. »Aber sie wird es ganz bestimmt nicht heute tun. Heute wird hier gar nichts mehr passieren. Die liebe Frau Schneider ist vernünftig. Sie hat vorgesorgt. Sie hat aufgeräumt, sie hat ihr Kind ruhiggestellt, und sie wird länger drüber nachdenken. Dabei werde ich ihr nicht zusehen. Ich kann die Frau nicht leiden, und ich muss heim.«
    »Und ich vielleicht nicht?!«, schimpfte Jaecklein.
    »Sie«, sagte Bettina mit einem kleinen, eher unfrohen Lächeln, »werden hierfür bezahlt.« Sie sah zu, wie sich sein Mund schloss. »Ich ruf Sie an.« So ging sie mit schwingendem Rocksaum an ihm vorbei zu ihrem Taunus. Und fuhr heim.
     
    Vielmehr zur Babysitterin. Dort wurde sie mit großem Hallo empfangen. Das Schöne an Kindern, dachte Bettina, als Enno sich an ihren Bauch drückte und Sammy an ihr Bein, war, dass sie gute Absichten anerkannten. Die beiden waren nicht sauer über den verpassten Sonntag, sondern sie freuten sich, Bettina zu sehen. Ganz einfach. Wieder fing sie fast an zu heulen.
    Sauer war allerdings die Babysitterin, Erika, eine kleine, vitale Frau mittleren Alters, eine Zackige, Ordentliche mit kurzen blonden Haaren und einem Metallica-S weatshirt über den gebügelten Jeans. Doch Erika war auch und vor allem Mensch. Ihre Strenge beschränkte sich aufs Äußere, sie rümpfte zwar die Nase über Bettinas verrauchte, aufgedonnerte Klamotten, doch sie war Mama genug, um zu sehen, dass die Stiefmutter ihrer neuen Schützlinge total abgekämpft und fertig war.
    »Du bleibst zum Abendbrot«, entschied sie. »In dem Zustand bist du ja gar nicht in der Lage, deinen Kindern ordentliches Essen zu machen. Was gäb’s denn bei euch? Kalt, was? Nix da. Ich hab jetzt eh schon mehr gekocht.« Erika duzte alle ihre ›Mamas‹, egal wie lange man sich kannte.
    Bettina sank also auf Erikas geschnitzte Eckbank. Kurz fuhr ihr dabei durch den Sinn, dass dies Esszimmer eigentlich die Steigerung des Grauens war, das sie gerade erst so angewidert verlassen hatte, dass Erika ihre Wände nicht nur terrakottafarben gestrichen, sondern terrakottafarben gewischt und überdies auf

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