Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
verwandelte sich ihre Welt in einen sicheren Ort. Langsam ließ ihr beflissener Eifer nach, und sie fing an, sich wie ein normales Kind zu benehmen.
Falcon Hill ragte am Ende einer langen Allee empor, gegen die Straße von einem schmiedeeisernen Doppeltor abgeschirmt.
Wenn sich die Erwachsenen am späten Nachmittag auf der Terrasse hinter dem Haus versammelten und Martinis tranken, wanderte Susannah die Zufahrt hinab, spielte mit einer Puppe oder kletterte am schmiedeeisernen Gitter des
Tors hinauf, um ihr Blickfeld zu erweitern. Nach den jahrelang aufgezwungenen Spaziergängen ständig um denselben Häuserblock herum genoss sie ihre neue Freiheit in vollen Zügen.
An einem Juninachmittag übte sie am unteren Ende der Zufahrt Seilhüpfen, als der Mann mit den Luftballons auftauchte. Obwohl sie schon sieben Jahre alt war, hatte sie das Seilspringen erst vor kurzem erlernt, und diese Kunst erforderte ihre ganze Konzentration. Deshalb bemerkte sie ihn zunächst nicht. Rhythmisch trommelten die Sohlen ihrer Sandalen auf den Asphalt, während sie flüsternd ihre Sprünge zählte. Ihr feines kastanienrotes Haar, von zwei Spangen in der Gestalt winziger Cockerspaniels aus der Stirn gehalten, flatterte jedes Mal, wenn das Seil den Boden streifte, von den Schultern hoch.
Als sie schließlich aufschaute und den Mann mit den bunten Ballons entdeckte, fand sie seine Anwesenheit in der ruhigen Wohngegend nicht ungewöhnlich. Auf Paiges Geburtstagsparty hatte ein Zauberer die Kinder unterhalten. Und ein Osterhase hatte höchstpersönlich Geschenkkörbe ins Haus gebracht. In einem Märchenland wie Kalifornien konnten alle möglichen wunderbaren Dinge geschehen.
Sie ließ das Seil fallen, stieg auf die untersten Schnörkel des schmiedeeisernen Tors und beobachtete, wie der Mann näher kam.
»Kostenlose Luftballons!«, rief er. Zu seiner Arbeitskleidung, einer grauen Hose und einem Hemd in derselben Farbe, trug er staubige schwarze Schuhe. Aber die lustige Clownsmaske mit der roten Nase und dem orangegelben Kraushaar passte nicht zu einem Arbeiter. »Kostenlose Ballons! Die platzen nie. Immer fliegen sie dahin und dorthin. Die besten Ballons von der Welt!«
Ballons, die nicht platzten? Erstaunt riss Susannah die Augen auf. Sie hasste den Knall berstender Luftballons. Sieher
wäre es erfreulich, einen zu besitzen, der sie nicht erschreckte.
Sie streckte ihre kleine Hand durch die Gitterstäbe und nahm ihren ganzen Mut zusammen. »Schenken Sie mir einen von ihren kostenlosen Ballons, Sir?«
Anscheinend hörte er ihre Frage nicht. »Kostenlose Ballons! Die platzen nie. Immer fliegen sie umher. Keiner meiner Luftballons kostet was!«
»Entschuldigen Sie, Sir«, bat sie höflich. »Geben Sie mir einen Ballon?«
Aber er wandte sich noch immer nicht zu ihr. Vielleicht sieht er mich nicht durch die Clownsmaske, dachte sie.
»Keiner meiner Luftballons kostet was!«, wiederholte er. »Komm mit mir!«
Sollte sie ihm folgen? Darüber hatte niemand mit ihr gesprochen. Trotzdem glaubte sie nicht, dass sie das Grundstück verlassen durfte. Sehnsüchtig musterte sie das Bündel der farbenfrohen Ballons, die an ihren Schnüren tanzten. Von der Schönheit dieses Anblicks wurde ihr fast schwindlig.
»Alle Ballons umsonst! Komm mit mir!«
Der Singsang schien in ihrem Blut widerzuhallen. Wenn sie zu ihren Eltern rannte, die auf der Terrasse saßen, und um Erlaubnis bat, würde der Mann weitergehen. Sicher wäre es albern, diese einmalige Chance zu verpassen und auf einen Ballon zu verzichten – vor allem, weil ihr Vater ihr die Freude gönnen würde. Ganz oft betonte er, sie sollte ihren Spaß haben und sich nicht so viele Sorgen machen.
»Alle Ballons umsonst! Komm mit mir!«
Da nahm sie den Schlüssel aus einem Versteck in der Blechbüchse am Boden einer steinernen Urne. Während sie ihn ins Schloss steckte, verstrichen kostbare Sekunden. »Warten Sie!«, rief sie, voller Angst, der Mann würde verschwinden. Die Unterlippe zwischen den Zähnen, konzentrierte sie sich auf die schwierige Aufgabe, den Schlüssel
herumzudrehen. Endlich schaffte sie es. Mit aller Kraft zog sie den schweren Torflügel weit genug auf, so dass sie durch den Spalt schlüpfen konnte. Zufrieden mit sich, stürmte sie an der hohen Hecke vorbei, die das Anwesen umgab. »Bitte, warten Sie auf mich!«, flehte sie.
An diesem Junitag war es sehr warm. Der Saum des hellgelben Sommerkleids klatschte gegen ihre Beine, ihr langes Haar wehte hinter ihr her. In der
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