Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
leises Klicken, und sie hatte das Gefühl, das letzte fragile Band zwischen Vater und Tochter wäre endgültig zerrissen.
In der Küche von Falcon Hill presste Paige den Hörer an ihr Ohr und lauschte dem klickenden Geräusch, mit dem der Vater das Telefonat mit ihrer Schwester abbrach. Dann legte sie den Hörer auf die Gabel und wischte die feuchten Handflächen an ihrer Schürze ab. Ihr Mund war trocken, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals.
Auf dem Rückweg zum Herd verdrängte sie die Erinnerung an sich selbst – in einem schäbigen Hausflur, ein schmutziges Telefonkabel um die Finger gewickelt, während sie versucht hatte, ihrem Vater ein liebevolles Wort zu entlocken. Sie weigerte sich, Mitleid mit Susannah zu empfinden. Letzten Endes hat die Gerechtigkeit gesiegt – so einfach ist das, dachte sie und stellte die Hitze unter dem Gemüse kleiner. Dann nahm sie den Bräter mit dem Truthahn aus dem Backofen. Die letzten Weihnachten hatte sie völlig stoned und todunglücklich in einem Apartment voller Küchenschaben
verbracht. Und dieses Jahr war Susannah die Ausgestoßene.
Die Dienstboten hatten an diesem Tag frei. Deshalb war sie verantwortlich für das Weihnachtsdinner. Darauf hatte sie sich schon wochenlang gefreut. Der Truthahn garte zwischen anderen verschiedenen Kasserollen im Backofen nach. Auf der Theke standen Platten mit wundervollen Obstkuchen, sorgsam hatte sie kunstvolle Ranken und Herzen in die Glasur geritzt. Während der letzten sieben Monate hatte sie erstaunlich viel Freude an schlichter Hausarbeit gefunden und sogar einen kleinen Kräutergarten nahe der Küchentür gepflanzt. Regelmäßig schmückte sie das Haus mit üppigen, wild wuchernden, altmodischen Blumensträußen, statt der formellen Arrangements, die Susannah stets beim Blumenhändler bestellt hatte.
Nicht, dass ihr Vater diese häuslichen Note, die vielen besonderen Nuancen wahrnahm ... Er bemerkte nur ihre Versäumnisse – die gesellschaftliche Veranstaltung, die sie zu notieren vergessen hatte, die Toiletten, die sie nicht reparieren ließ, den Installateur, den sie nicht bestellte. All diese Pflichten hatte ihre Schwester ohne Fehl und Tadel erledigt. Der neueste Ludlum-Thriller, der auf seinem Nachttisch lag, oder das Festessen, das ihn bei seiner Rückkehr von einer Reise erwartete – das alles schien nicht zu zählen.
»Brauchst du Hilfe, Paige?«
Lächelnd wandte sie sich zu Cal, der seinen Kopf zur Küchentür hereinsteckte. Dass er ein Opportunist war, wusste sie. Wäre sie nicht Joel Faulconers Tochter, würde er sich wohl kaum als so guter Freund erweisen. Zumindest verstand er, wie schwierig ihr Vater sein konnte. Mitfühlend hörte er zu, wann immer sie ihm ihre Probleme anvertraute. Und es beglückte sie, jemanden an ihrer Seite zu wissen.
»Lass mich nur den Truthahn auf die Platte legen, dann kannst du ihn hineintragen.«
Da sie nur zu dritt essen würden, hatte sie beschlossen, auf den großen, formellen Speiseraum mit der langen Tafel zu verzichten. Vor dem gemütlichen Kamin im Wohnzimmer stand nun ein kleiner Tisch mit herunterklappbaren Seitenteilen aus Kirschbaumholz. Von dort aus würden sie durch den Torbogen, der in die Halle führte, den Lichterbaum sehen.
Als das Essen angerichtet war, setzten sich alle, und sie entfernte die rotgrüne Schleife von ihrer Serviette. Ein antiker Tafelaufsatz stand in der Tischmitte. Am Vortag hatte sie ihn mit Tannenzweigen und Miniaturmöbeln aus einem Puppenhaus geschmückt, das ihr beim Stöbern auf dem Dachboden in die Hände gefallen war. Seltsam, wie viel Spielzeug in diesem Haus überlebt hatte – sogar ein paar winzige Barbie-Puppen-Schuhe. Kaum zu glauben, dass im Lauf der Jahre nichts verloren gegangen war. Andererseits hatte Susannah die Spielsachen stets sorgsam gehütet.
Alte Erinnerungen kehrten zurück, während ihr Vater den Truthahn tranchierte. Den Blick ins Nichts gerichtet, sah sie Susannahs glattes kastanienbraunes Harr nach vorn fallen. Eifrig grub sie ein kleines Monopoly-Haus aus, das Paige im dicken Flauschteppich ihres Schlafzimmers verloren hatte. Oder Susannah, die in makellos sauberen gelben Shorts auf der Terrasse kniete und die Wachsmalstifte ihrer Schwester vor dem heißen Sonnenschein rettete. Diese Stifte benutzte Paige nicht mehr, wenn die scharfe Spitze abgestumpft war. Aber Susannah hatte die Papierhüllen stets geduldig nach unten geschoben und auch die kleinsten Stummel aufgebraucht. Völlig unerwartet spürte Paige
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