Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
stets das große Ganze sah. Wir anderen haben uns nur mit Teilen befasst.«
»Lächerlich. Auch Mitch sieht alles.«
»Vielleicht eher als ich, eher als Sam. Aber Mitchs ausgeprägter Geschäftssinn verleitet ihn zu gewissen Vorurteilen, die du nicht hast. Und Mitch und Sam versorgen einander mit Energien. Aber sie verstehen sich nicht wirklich. Wenn du nicht dolmetschst, reden sie aneinander vorbei.« Für Yanks Verhältnisse war das eine ungewöhnlich lange
Ansprache. Er starrte ins Leere, und Susannah vermutete, dass er sich nun verausgabt hatte. Trotzdem brauchte er nur wenige Sekunden, um seine restlichen Gedanken zu ordnen. »Du bist nicht visionär wie Sam, kein Marketingstratege wie Mitch. Stattdessen hast du Verständnis für menschliche Eigenarten und Schwächen. Deshalb hältst du uns alle bei der Stange. Ohne dich wäre SysVal längst im Chaos versunken. Glücklicherweise bist du ein Organisationsgenie.«
Der Teil ihres Ichs, der nicht verzweifelte, freute sich über die hohe Meinung, die Yank von ihr hatte. Seltsam – sein Lob bedeutete ihr mehr als alle Komplimente, die jemals über Mitchs oder Sams Lippen gekommen waren.
»Nach Mitchs Ansicht solltest du die Heimreise antreten, wenn du dazu bereit bist, Susannah. Er hat mir eingeschärft, ich dürfte dich zu nichts zwingen.«
»Okay, ich bin ein freies menschliches Wesen«, erklärte sie – im Brustton der Überzeugung, wie sie hoffte. »Also kannst du mich gar nicht zwingen.«
»Mag sein, aber Freiheit ist relativ. Ich habe Informationen, die ich laut Mitchs Befehl für mich behalten soll. Wenn ich’s dir erzähle, würdest du nicht zögern, mich nach Hause zu begleiten.«
Obwohl sie bereits geahnt hatte, dass Mitch ihr irgendetwas verheimlichte, erschrak sie erst in diesem Moment. »Welche Information? Wovon redest du?«
»Es ist ziemlich beunruhigend, Susannah.«
»Wage es bloß nicht, mir das anzutun! Wenn du etwas weißt, das ich erfahren müsste, mach den Mund auf! Was Mitch meint, ist mir egal.«
»Oh, ich habe gar nicht vor, dich im Ungewissen zu lassen. Erstaunlich, dass Mitch glaubt, er könnte mich herumkommandieren ...«
»Was ist passiert, Yank?«
Er wanderte zum Fenster. Für eine Weile schaute er zum Meer hinab, dann wandte er sich wieder zu ihr. »Einige Tage nach deiner Abreise begann Sam, unseren Aufsichtsrat zu manipulieren.«
»Nun, das ist nicht ungewöhnlich. Auf den nimmt er immer wieder massiven Einfluss, wenn er irgendwas durchsetzen will.«
»Diesmal strebt er ein besonderes Ziel an.«
Susannah begann zu frösteln, ihr Magen krampfte sich zusammen. »Was hat er getan?«
»Tut mir Leid, dass ich’s dir sagen muss – Sam versucht die Aufsichtsratsmitglieder zum Verkauf von SysVal zu bewegen.«
25
Sobald ihre Schwester aufgestanden war, erzählte ihr Susannah, was geschehen war, und bat sie, nach San Francisco mitzukommen. Aber Paige erwiderte, sie habe bereits geplant, ein paar Wochen auf Sardinien zu verleben. Unverzüglich bestellte sie einen Jeep, der sie alle drei zum Flugplatz in Chora bringen sollte, dann brachten sie gemeinsam den Bungalow in Ordnung, und Paige schloss ihn ab.
Die neue geschwisterliche Beziehung war noch so labil, dass Susannah keinen Druck auf Paige ausüben wollte. Andererseits fühlte sie sich so eng wie nie zuvor mit ihrer Schwester verbunden, und sie fürchtete sich vor einer längeren Trennung. Würde die alte Feindseligkeit erneut aufflammen?
Der Abschied am Flugplatz war nicht so schwierig wie erwartet, weil Yank im letzten Moment verschwand und beide nach ihm fahnden mussten. Schließlich fand ihn Paige
inmitten einer Gruppe von Passagieren, die an Bord einer Maschine nach Marrakesch gehen würden. Gerade noch rechtzeitig führte sie ihn zum richtigen Flugsteig, als Susannah schon alle Hoffnung aufgegeben hatte.
Geistesabwesend übergab er Susannah sein Ticket und die Bordkarte. Dann wandte er sich zu Paige. »Vergessen Sie nicht, worum ich Sie am Strand gebeten habe – es ist sehr wichtig.«
Susannah musterte ihn neugierig und überlegte, was er meinen mochte.
Unsicher strich Paige über den Riemen ihrer Schultertasche. »Was ist es Ihnen wert?«
»Wert?«
»Ja. Machen Sie mir ein konkretes, mit Barem untermauertes Angebot? Oder nur ein mündliches ?« Aufreizend ließ sie ihren Blick über seinen Körper wandern. »Letzteres wäre vielleicht nicht zu verachten – denn ich wette, Ihr Mund ist schon an hochinteressanten Stellen gewesen.«
Yank errötete.
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