Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
natürlich glauben, sie hätte sich umgebracht.
»Nein«, stöhnte sie.
Cal drehte den Zündschlüssel herum, und der Motor des Chevys erwachte zum Leben. Hilflos schaute sie zu, wie er zu Paiges Mercedes ging und ihn ebenfalls startete. Ohrenbetäubend heulte der starke Motor auf. Cal stand vor dem schnittigen Wagen und glättete seinen Smoking. Sekundenlang wirkte die Szene wie eine schicke Reklame in einem Hochglanzmagazin – edles Auto, edle Kleidung. Eleganter, schurkischer Mann ...
Schreiend bekämpfte sie die Fessel, versuchte, die Handgelenke am Lenkrad hinabzuschieben, um den Schalthebel zu erreichen. Doch die Knoten waren zu fest, und Susannahs verzweifelte Bemühungen bohrten die scharfen Kanten der Rheinkiesel noch tiefer in ihr Fleisch. Cal legte die Handschuhe in ein Regal und ging zur Tür, die ins Haus führte. Bevor er die Klinke hinabdrückte, zog er ein Taschentuch hervor und wickelte es um seine Hand. Und dann verschwand er.
Nein, sie würde nicht kampflos in den Tod gehen. Sie schrie, bis ihre Kehle brannte. Wie lange dauerte es, an einer Kohlenmonoxidvergiftung zu sterben? Vielleicht würde jemand in diesen Flügel des Hauses kommen – und ihre Stimme hören.
Die Fesseln gaben nicht nach. Schluchzend warf sie sich gegen das Lenkrand und versuchte, die Hupe auszulösen. Doch sie kam nicht an den Knopf heran. Wegen ihres heftigen Kampfs war sie gezwungen, die Schadstoffe viel zu schnell einzuatmen. Entsetzt sah sie Blut durch den Chiffonschal sickern. An mehreren Stellen hatten die Rheinkiesel
ihre Haut aufgeritzt. Würde sie den Schalthebel mit einem Knie erreichen? Nein, der Strick, der ihre Fußknöchel umschlang, ließ ihr keine ausreichende Bewegungsfreiheit.
Während sie ihr Bestes tat, um sich zu retten, brüllten die beiden Motoren ihren Todeschor. In dunkelroten Ornamenten tränkte Susannahs Blut den Chiffonschal. Noch nie war ihr das Leben so kostbar erschienen. Sie wollte nicht sterben ... Wenn die Polizisten ihre blutverschmierten Handgelenke sahen, würden sie wissen, dass sie keinen Selbstmord verübt hatte. Früher oder später würde jemand den Kassettenrekorder finden. Wobei allerdings nun der Wunsch, Cal vor Gericht zu bringen, keine Rolle mehr spielte.
Vor ihren Augen verschwamm Mitchs Gesicht. Auf der Schwelle des Todes wusste sie, wie sehr sie ihn liebte. Schon seit Jahren liebte sie ihn. Nur weil sie verheiratet war, hatte sie sich eingeredet, es sei nur Freundschaft. Er war ehrenwert und gütig und stark – alles, was ein Mann sein sollte. Und dass er ihre Schwester liebte, schmälerte ihre eigenen Gefühle nicht im Geringsten.
Unentwegt spuckten die monströsen Motoren ihr Gift aus. Aus den Wunden an ihren Handgelenken quoll Blut. Wie viel Zeit war verstrichen? Wurde sie allmählich schläfrig? Bitte, lieber Gott, nein – lass mich nicht einschlafen.
Sie wollte ein Baby bekommen. Sie wollte ihrer Schwester versichern, sie würde sie sehr lieben. Sie wollte im Licht von Yanks sanften Augen baden. Sie wollte Mitch wiedersehen. Selbst wenn sie ihn nicht für sich gewinnen würde – sie wollte beobachten, wie ein Lächeln sein wunderbares Gesicht weicher erscheinen ließ. Bitte, Allmächtiger, rette mich vor dem Tod ...
Langsam breitete sich seelischer Friede in ihr aus. Ihr Kopf schwankte, ihre Stirn sank auf das Lenkrad. Nun musste sie sich ausruhen. Nur eine kleine Weile. Bis ihre Kräfte zurückkehrten.
Und dann hörte sie die Stimme ihres Vaters.
Wach auf, Schätzchen, wach sofort auf.
Sie sah Joel vor sich stehen. Beschwörend streckte er die Arme nach ihr aus. Und sie starrte ins lächelnde junge Gesicht ihres Märchenprinzen. Er lebte, er war nicht tot, er hasste sie nicht.
Daddy? Susannahs Lider flatterten. Wo bist du, Daddy?
Da erlosch sein Lächeln. Offenbar ärgerte er sich über sie. So wie an jenem Tag, an dem sie mit Sam Gamble davongelaufen war. So zornig und entrüstet ...
Deine Arme, schrie er. Beweg deine Arme!
Nein, die wollte sie nicht bewegen. Sie war zu müde.
Aber er wiederholte seinen Befehl unentwegt. Deine Arme! Beweg deine Arme!
Viel zu fest war der Schal verknotet, ihre Handgelenke bluteten, sie war völlig erschöpft. Aber sie durfte Daddy nicht ärgern ... Und weil er so böse aussah, versuchte sie es noch einmal. Sie bot ihre ganze restliche Kraft auf, stemmte sich ein letztes Mal gegen die Fessel.
Und ihre Handgelenke regten sich im glitschigen Pfad des Blutes. Von heftigen Schmerzen gepeinigt, tat sie ihr
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