Die Herzensdiebin
Frau, die auf ihre künstlerische Eingebung baute.
Und eine Zeit lang hatte sie geglaubt, ihre Muse gefunden zu haben. Sie malte die besten Bilder ihres Lebens, während sie dort lebte und diese einzigartige Luft einatmete. Für eine Weile vergaß sie das dumme, verloren geglaubte Meisterwerk und malte wie im Fieberwahn, in der Gewissheit, endlich ihrer Genialität Ausdruck verleihen zu können.
Als sie ihre Werke dann aber einem Kunstkritiker zeigte, nannte der ihr lediglich den Namen eines Restaurants, das bereit wäre, Gemälde auszustellen und gegen Provision zu verkaufen.
Am liebsten hätte sie ihm Gift in den Kaffee getan.
Stattdessen kroch sie wieder zu den Szarvas, hörte ohne wirkliches Interesse auf Sharons aufmunternde Worte und erklärte sich bereit, Isabelles Tagebücher in den Computer einzugeben. Sharon hatte Mitleid mit Judith und ließ sie die Arbeit erledigen, und obwohl Judith jede Menge Klatsch erfuhr und faszinierende Einblicke in das Leben einer Künstlerin bekam, stieß sie in keiner Zeile auf irgendeinen Hinweis auf das Meisterwerk.
Scheinbar beiläufig sprach sie Sharon darauf an und versuchte verzweifelt, die Freundin der Künstlerin zu werden, der Sharon alles anvertrauen würde.
Aber Sharon blieb zurückhaltend, und ihr scharfer Verstand hatte bei Judith den Eindruck hinterlassen, dass Sharon sie durchschaute.
Schließlich hatte Judith sich Isabelles Enkelin zugewandt und war auf eine echte Goldader gestoßen.
Isabelle hatte dem Kind alles erzählt. Einfach alles .
Eine spontane Reise nach Amelia Shores hatte gezeigt, dass das Bild nicht mehr über dem Kamin hing.
Warum auch?
Das wäre zu simpel gewesen.
Und sie wusste nicht, wie sie es begründen sollte, noch länger dort zu bleiben und zu suchen. Der alte Benjamin lebte immer noch. Die Polizei hatte noch die Täterbeschreibung. Daher hatte sie die Stadt genauso schnell wieder verlassen, wie sie gekommen war.
Und genau zu diesem Zeitpunkt war ihr Geld knapp geworden. Sie hatte ihren Vater, den miesesten aller Mistkerle, in eine Nervenheilanstalt gesteckt, sein Haus verkauft und sein Vermögen flüssiggemacht. Damit war sie zwei Jahre über die Runden gekommen.
Dann brauchte sie wieder Geld.
Mr. Hopkins hatte ihr so plötzlich ein Angebot gemacht, dass sie schon glaubte, er habe sie die ganze Zeit beobachtet. Und nach allem, was sie jetzt wusste, hatte er das wahrscheinlich auch getan.
Sie könnte den Ruhm ernten.
Er wollte das Bild.
Sie hatte ihn nie gesehen. Er war nur die Stimme am Telefon gewesen und hatte ihr geraten, sich in Geduld zu fassen. Immerhin glaubte sie, dass sie all die Jahre geduldig gewesen war, aber er war die Ausdauer in Person, und letzten Endes ... hatte er recht. Mit seiner Hilfe war der Augenblick gekommen, den sie sich so lange ersehnt hatte.
Das Gemälde — und der Ruhm — waren mit Händen greifbar. Und nichts und niemand sollte sie jetzt noch von ihrem Vorhaben abbringen.
7
Gabriel Prescott betrat Devlins Büro.
»Hey, Gabe.« Devlin schaute nicht auf. Das brauchte er auch nicht. Er saß vor den Reihen der Videobildschirme, die in die hübschen, altmodischen Bücherregale eingelassen waren. Und da er keinen Blick von den Monitoren abgewandt hatte, hatte er Prescott durch die Haustür kommen sehen. Nicht ein Schritt von Gabriel auf seinem Weg zum Büro war den Überwachungskameras entgangen.
Aber er sah auch jetzt noch auf die Bildschirme, und ein kleines Lächeln lag um seine Mundwinkel.
»Was machen wir denn da?« Gabriel schloss die Tür.
» Wir beobachten sie.«
Da er immer ganz Ohr war, wenn Devlin es auf eine Sie abgesehen hatte, stellte Gabriel sich hinter ihn. Auf einem der Monitore war eine Frau zu sehen, die einen Flur hinunterging — und sie sah umwerfend aus. Ihr rötliches Haar umgab ihr blasses Gesicht wie eine Kerzenflamme. Sie hatte lange Beine, schön geschwungene Hüften und kleine feste Brüste; keine Künstlerhand hätte diese äußere Erscheinung besser modellieren können. Sie trug eine kurze weiße Hose, ein gelbes Top, ein Paar dämliche Flipflops, die mit kleinen Bergkristallen verziert waren, und dazu ein großes, gestärktes Herrenhemd in Weiß, das sie vorn zusammengeknotet hatte. Auf der Stirn hatte sie ein Pflaster — auf dem Monitor sah es so aus, als sei es mit Smileys übersät —, und sie ging gemächlich den Gang hinunter und betrachtete eingehend jedes einzelne Gemälde.
Gabriel zog sich einen Stuhl an die Regale und setzte sich so, dass auch er
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