Die Herzensdiebin
Mund wieder.
Sie quittierte den gesunden Menschenverstand des Gasts mit einem einfachen »Guter Junge«. Zu Devlin gewandt, sagte sie mit sarkastischem Unterton: »Welches meiner Strandkleider mit Blumenmuster soll ich anziehen?«
»Zieh lieber Jeans an«, riet Devlin ihr.
»Jeans. Eine gute Idee.« Sie hatte gewonnen! Gewonnen! »Ich wünschte, ich hätte daran gedacht, mir eine Jeans zu besorgen.«
Oder war das nicht ihr Sieg? Wenn in ihrem Zimmer bereits eine Jeanshose lag, musste er sie bestellt haben, als er ihre dunkle Einbrecherkleidung weggeworfen hatte. Somit war das ganze Gerede von gemusterten Strandkleidern blanker Unfug.
Sie verstand nicht, was Devlin eigentlich beabsichtigte — was er mit ihr vorhatte, warum er in Gegenwart von Nummer Vier log und was er mit seiner ausgeschmückten Mallorca-Episode bezweckte. Doch eines wusste sie genau: Wenn sie in ihrem Zimmer überlegte, was sie anziehen sollte, würde sie die Tür abschließen.
Das war einfach sicherer.
12
In Amelia Shores lebten in der Nebensaison viertausend und während der Sommermonate an die zwölftausend Menschen. Jetzt, im Frühling, waren die Pensionen, die Bed and Breakfast anboten, neu gestrichen. Die Restaurants entlang der Waterfront Row fuhren die gestreiften Markisen aus, um die Tische im Freien zu schützen.
Auch ein paar Touristen hatten sich schon eingefunden. Der große Ansturm würde noch kommen.
Als Meadow und Devlin mit Nummer Vier über die Uferpromenade flanierten, den Atlantik auf der einen und die Straße auf der anderen Seite, erzählte Bradley Meadow: »Die Shops bereiten sich schon auf die Hochsaison vor, aber bevor die Touristen kommen, kehren die Stammgäste mittags bei D'Anna ein, lassen sich ein Dessert und einen Kaffee schmecken und genießen den Klatsch.«
»Wer sind die Stammgäste?« Sie schaute vom Strand zur Küste. Sie war noch nie an der Ostküste gewesen, aber Küstenstädte, ganz egal wo, hatten oft den gleichen Geruch. Sanfte Wellen kräuselten das Meer, Sonnenanbeter rieben sich den Sand von der eingeölten Haut. Die Läden machten Reklame mit farbenfrohen Bikinis, und in den Fenstern hingen bunte Drachen. Die ersten Touristen gingen über die Waterfront Row und hatten sich zu spät gegen die Sonne geschützt, die ihnen bereits die Schultern verbrannt hatte.
Sie fühlte sich fehl am Platze; um sich über Devlins Vorgaben hinwegzusetzen, hatte sie ein seidenes, geblümtes Strandkleid angezogen, zu dem sie gelbe Riemensandalen trug. Aber jetzt umspielte der Wind ihren Rocksaum, und ständig musste sie ihren breitkrempigen Strohhut festhalten.
»Mit Stammgästen meine ich die Leute, die hier wohnen.« Nummer Vier winkte einem Ladenbesitzer zu. »Leute, die hier arbeiten.«
»Mit Stammgästen meint er die alten Knacker, die einst die ganze Stadt besaßen und immer noch im Stadtrat sitzen.« Devlin ging ein paar Schritte hinter ihnen, und da seine Worte überhaupt nicht zu seinem fast beiläufigen Tonfall passen wollten, drehte Meadow sich um, ging zu ihm und sah ihn bedeutungsvoll an.
Er trug ausgewaschene Jeans und ein weißes Hemd, dessen Ärmel er bis zu den Ellbogen aufgerollt hatte. Er sah aus wie ein Bauarbeiter — abgesehen von seinen dunklen, sardonischen Augen, die auf ihr hafteten.
Konnte er etwa durch den Stoff ihres Strandkleids sehen? Unmöglich; Kleid und Rock waren blickdicht, der Saum reichte bis zu ihren Waden. Vielleicht gefiel es ihm nicht, dass sie sich über seine Anweisung hinweggesetzt und die Jeans verschmäht hatte, aber zweifellos zollte er den Konturen ihrer Schulterpartie und dem schlanken Hals offene Bewunderung.
»Die alten Knacker magst du also nicht«, meinte sie.
»Sie wollen den Lauf der Zeit aufhalten«, antwortete er. »Du hältst dich demnach für den Lauf der Zeit«, mutmaßte sie.
»Er ist wie ein Söldnerheer, das über die Blumenbeete stampft. Trampelt alles nieder.« Sie hörte einen Anflug von Bitterkeit aus Bradleys Worten heraus. »Sie werden den Halt verlieren.« Nummer Vier nahm sie beim Arm und ging mit ihr weiter.
»Wenn Sie Waldemar House nicht an Devlin verkaufen wollten, warum haben Sie sich dann auf den Verkauf eingelassen?«, fragte sie.
Nummer Vier stolperte über einen Spalt auf der Promenade, und als er sich wieder aufrichtete, sah sie, dass ihm etwas von seinem Charme abhanden gekommen war — wie abblätterndes Gold bei altem Silber-Vermeil.
»Nummer Vier hat mir das Haus nicht verkauft«, sagte Devlin. »Das war sein
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