Die Herzensdiebin
an die Lippen, trank sie leer, und alle Männer am Tisch schauten auf ihren Hals und sahen, wie sie schluckte. Dann stellte sie die Flasche ab und stieß einen zufriedenen Seufzer aus. »Das tat gut! Ich war schon ganz ausgetrocknet.«
»Noch ein Grund, der mir verrät, dass Sie nicht hier aus der Gegend stammen. Sie sind unverfrorener als eine Dame aus dem Süden, haben diese direkte Art.« Das meinte der alte Benjamin nicht als Kompliment.
»Danke, Bradley. Das ist aber nett von Ihnen!« Devlin fiel auf, dass in ihrem Tonfall eine gezwungene Freude mitschwang, aber da die anderen sie nicht so gut kannten wie er, merkte niemand, dass sie im Grunde verstimmt war.
Benjamin sen. war es nicht gewohnt, missverstanden zu werden, und rang nun sichtlich mit sich, ob er der jungen Dame erklären sollte, wie er die »Komplimente« gemeint hatte.
Devlin jedoch nahm die Gelegenheit wahr und sagte verbindlich: »Ja, das mag der Grund dafür sein, dass Meadow sich durchsetzt, wo andere nicht weiterkommen. Sie ist nicht so von Traditionen erdrückt wie die typische Dame aus dem Süden. Auf ihr lasten keine Erwartungen.«
Der alte Benjamin schien froh zu sein, sich in seiner verdrießlichen Laune wieder Devlin zuwenden zu können. »Wir sind alle überrascht, dass Sie sich letzten Endes vermählt haben, Devlin.«
»Mit zweiunddreißig ist man noch nicht zu alt, Sir. Immerhin waren Sie doch auch etwa in dem Alter, als Sie Ihre erste Frau heirateten.« Devlin verstand sich darauf, seine Bemerkungen zuzuspitzen.
Die anderen Herren rutschten unruhig auf ihren Stühlen hin und her. Die Geschichte von der untreuen Isabelle machte ihnen immer wieder aufs Neue zu schaffen, denn ein jeder wurde an die Unwägbarkeiten des eigenen Ehelebens erinnert und bekam vor Augen geführt, dass sich eben nicht jede Frau unterordnete.
»Wissen Sie, das ist der Unterschied zwischen Devlin und mir. Er hat mich geheiratet, weil ich ein Kind von Freigeistern bin.« Meadow hatte ein freches Grinsen aufgesetzt. »Und ich habe ihn des Geldes wegen geheiratet.«
Den. alten Knackern blieb das Lachen im Halse stecken.
»Und weil er so gut aussieht.« Sie wandte sich ihm mit einem durchtriebenen Lächeln zu, sah ihm unverfroren in die Augen und kniff ihn leicht in die Wange.
Wie war das noch? Er brauchte die Waffe nur anzulegen und den Abzug zu betätigen? Schade nur, dass die verfluchte Waffe ihren eigenen Kopf hatte ...
Und warum genoss er es, dass sie sich jetzt vor den Augen dieser alten Knacker über ihn lustig machte? Wenn er nicht Acht gab, würde sie noch erreichen, dass man ihn letzten Endes in dem Städtchen mochte.
»Was haben Sie denn gesagt, junge Dame, als Sie erfuhren, dass Ihr Gemahl ein Bastard ist?« Benjamin stellte die Frage mit Bedacht, in der Hoffnung, Meadow zu überrumpeln. Vielleicht glaubte er auch, er könnte ihr etwas mitteilen, das Devlin ihr bislang vorenthalten hatte.
»Oh, Vater.« Nummer Vier hielt sich seine schlanke Hand, die keine einzige Schwiele aufwies, vor die Augen.
»Guter Schuss«, lobte Osgood mit einem Kichern.
Devlin hatte ihr dies nicht aus Feigheit verschwiegen, ihm hatte vielmehr die Zeit gefehlt — schließlich waren sie sich erst am Abend zuvor begegnet. Außerdem sprach er höchst selten von seiner Herkunft, und schon gar nicht, wenn er gerade eine Frau kennengelernt hatte.
»Was? Oh, ich nehme an, er möchte, dass ich ihn als illegitimen Abkömmling bezeichne.« Benjamin forderte Devlin mit verächtlich geschürzten Lippen heraus. »Aber ich bin eben dafür, das Kind immer beim rechten Namen zu nennen.«
Devlin hielt sich mit seiner Antwort zurück, war er doch genauso auf Meadows Reaktion gespannt wie die anderen.
»In Gesellschaft gibt es für dieses Verhalten aber keine Entschuldigung.« Meadows Stimme klang eiskalt. »Und wenn Sie sich schon rüde benehmen wollen, Mr. Benjamin, dann sollten Sie mich vielleicht weiterhin als >unverfroren< bezeichnen und darauf hoffen, dass mir die Kränkung entgeht.«
Benjamins Blick flog zu ihr, doch Meadows offene Verachtung hinterließ Spuren..
»Bravo!« Nummer Vier klatschte leise in die Hände. Ein Leuchten trat in seine Augen, und er sah Meadow bewundernd an.
Devlin ließ sich äußerlich nichts anmerken und staunte, dass Meadow ihn verteidigt hatte. Es überraschte ihn auch, wie gut sie diese Herren durchschaute und sie zu manipulieren wusste. Sie hatte ihre eigenen Waffen — und Devlin war gut beraten, nicht zu vergessen, wie scharfzüngig sie
Weitere Kostenlose Bücher