Die Herzensdiebin
zurückzuhalten. »Tut mir leid, ich wollte bloß ... ich mache mir Sorgen.«
»Schon gut.« Meadow gelang es, ihre Wut zu dämpfen. »Aber ... sag so etwas bitte nicht wieder. Daran darf man nicht denken. Und grüß Mom ganz lieb von mir. Sag ihr, dass ich bald wieder nach Hause komme.«
»Mit guten Nachrichten«, munterte Judith sie auf.
»Ja, nur mit guten Nachrichten.«
»Und such weiter. Leg dir einen Plan zurecht, an den du dich halten kannst. Alles hängt nun von dir ab, Meadow! «
Meadow legte auf und ließ sich schwer auf den Stuhl sinken. Sie spürte noch die Wut, die in ihr hochgestiegen war, als Judith so taktlos über Sharon sprach.
Dabei hatte Meadow geglaubt, dass Judith immer Sharons beste Freundin sein wollte, aber genau wegen dieser Taktlosigkeiten war sie nie eine Vertraute von Meadows Mutter geworden.
Judith behauptete, es bestehe eine Seelenverwandtschaft mit Sharon. Sie gab sich frohgelaunt, wusste sich zu benehmen, genoss alles in Maßen. Aber sie schwieg beharrlich über ihre Herkunft, und daraufhin hatte Sharon ihrer Tochter gesagt: »Ich fürchte, sie verheimlicht uns eine harte Zeit und setzt alles daran, in der Öffentlichkeit gut dazustehen. Sie muss mehr Glauben in ihrem Herzen zulassen, und ich wünschte, ich könnte ihr dabei helfen.«
Aber in einer Sache hatte Judith recht: Meadow musste sich über ihre weitere Vorgehensweise klar werden. Sie war hier in dem Hotel, und sie fühlte sich sicher, da Devlin behauptete, sie wäre seine Frau, und da er—Meadow wollte sich eigentlich nicht selbst schmeicheln — fasziniert von ihrem Körper war. Wahrscheinlich war sie genauso fasziniert von seinen körperlichen Vorzügen, nicht zuletzt von seiner Intelligenz und seinen gerissenen Plänen. Er betrachtete das Leben als Schachspiel, für ihn gab es nur Schwarz und Weiß, und die überlegten Züge endeten schließlich stets auf zweierlei Weise — Sieg oder Niederlage.
Aber sie spielte kein Spiel.
Die zurückliegende Nacht und der heutige Tag waren für sie beide aufrichtig gewesen.
Wie würde das also enden?
Der Mann, dem Judiths Worten zufolge niemand etwas vormachen konnte, hatte Meadows Lüge mit der Amnesie hingenommen und dann behauptet, sie wäre seine Frau.
Zu was für einer Figur wurde Meadow dadurch auf dem Schachbrett?
Schwarz ... oder Weiß?
Bauer ... oder Dame?
Sieg ... oder Niederlage?
27
Ehe sie an diesem Abend das Speisezimmer betraten, hielt Meadow Devlin auf und bohrte ihm ihre Fingernägel in den Unterarm. »Versprichst du mir, dass du mich nicht wieder mit dieser Frau allein lässt?«
»Nummer Vier sitzt mit am Tisch. Er wird dich beschützen.« Devlin war nicht in der Stimmung, Meadow irgendwelche Versprechungen zu machen. Nicht nach diesem Nachmittag. Sie hatte sich eine neue Lüge wegen des Zimmermädchens ausgedacht und ihm erneut etwas mit dem dämlichen Gedächtnisverlust vorgemacht.
»Nummer Vier ist ein netter Mann, aber er ist deiner Mutter nicht gewachsen.«
»Ich dachte, die Frauen beten ihn auf Knien an.« Heute hatte Sam ihn gedrängt, Meadow endlich wegzuschicken. Devlin hatte sich geweigert, aber wenn es zu weiteren Vorfällen dieser Art kam, sah er sich zum Handeln gezwungen.
»Ich bin es, die dich auf Knien anbetet.«
Sie war gut im Schmeicheln. Aber in ein paar Wochen eröffnete er ein Hotel. Er wusste aus Erfahrung, dass eine große Eröffnungsfeier seine ganze Konzentration in Anspruch nehmen würde. Da blieb ihm keine Zeit, Meadow aus einer Kammer herauszuholen, wenn sie sich wieder einmal eingeschlossen hatte. Er hatte wirklich keine Zeit, ihr die Sachen auszuziehen oder ihr im Mondschein im Garten nachzulaufen ... oder sich zu verlieben ...
Sie zog an ihm, sodass er ihr in die Augen sehen musste. »Versprich mir, dass du mich nicht mit ihr allein lässt«, sagte sie.
Sich verlieben? In Meadow ? Das war unmöglich. Sie war nicht der Typ von Frau, den er bewunderte. Sie war eine Lügnerin, eine potenzielle Diebin, hatte keinen Sinn für gute Kleidung und begriff nicht, dass man zu den Angestellten auf Distanz blieb. Wenn er sich jetzt weiter auf sie einließe, würde er alsbald streunende Hunde aufnehmen und sich von Tofu ernähren.
Und eben das wollte er nicht. Das war nicht seine Welt. Er war ein unehelich geborener Sohn, und seine Frau musste über jeden Tadel erhaben sein.
All das war die Wahrheit. Das wusste er. Aber wie kam es dann, dass er an ihre erste gemeinsame Nacht dachte? Und wieso war er so hingerissen gewesen von
Weitere Kostenlose Bücher