Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
Begrüßung genügte ihr nicht. Ihr Herz sehnte sich nach der Vertrautheit, die zwischen ihnen geherrscht hatte, als sie noch jung und hoffnungsvoll gewesen war. Sie wollte seine Stimme wieder hören, wollte ihn berühren, falls das möglich war, ohne Schwäche zu zeigen. Danach, so nahm sie an, konnte sie mit ihm vertraulich sprechen. Sie schloss die Tür hinter sich und atmete tief durch. Maxime lehnte nur ein paar Schritte von ihr entfernt an der Wand.
“Vielen Dank für deine herzliche Begrüßung”, stieß sie hervor.
“Und ich begrüße dich noch einmal sehr herzlich”, erwiderte Maxime, doch sie konnte weder seinem Ton noch seiner Miene entnehmen, wie er über ihren Besuch dachte. Es war, als hätte es seine Blicke am Tor nie gegeben. “Komm, gehen wir in ein Zimmer, wo wir unter uns sind”, fügte er hinzu.
Er führte sie in einen Raum, in dem es fast keine Möbel gab, und wo blendend helles Licht durch zahlreiche hohe, unverhüllte Fenster fiel. Camille setzte sich auf den einzigen Stuhl, eine nicht sehr vertrauenerweckende, äußerst zierliche Konstruktion, auf der ein in Oliv- und Gelbtönen gestreiftes Kissen lag. Vor ihr stand ein leerer Tisch.
Maxime ließ sich auf einer gepolsterten Fensterbank nieder, sodass ihm die Nachmittagssonne auf den Rücken schien und seine breitschultrigen Umrisse golden nachzeichnete. Sein Gesichtsausdruck blieb Camille allerdings verborgen.
Zunächst schwieg er, ebenso wie sie; sie war nicht bereit, jeden Vorteil aufzugeben, den sie vielleicht hatte, wenn doch so viel – das Herzogtum, ihr Leben – davon abhing, dass es ihr gelang, Maxime auf ihre Seite zu ziehen. Seine Begrüßung war herzlich gewesen, doch sie hatte in der Öffentlichkeit stattgefunden. Camille unterdrückte den Impuls, über ihre Schulter zur geschlossenen Tür zu sehen.
Jemand klopfte leise an. “Herein”, sagte Maxime. Ein Schwarm Diener brachte Silberlöffel mit langen Griffen, große und kleine Silberbecher und ein Tablett, auf dem ein silbernes Gefäß von der Form und Größe eines Eimers stand, und stellte das alles auf dem Tisch ab. Einer der Diener füllte Eiscreme aus dem Eimer in die Becher. Dann reichte er Camille einen der Becher und einen Löffel. Sie hielt beides vorsichtig in den Händen, und das kalte Metall begann dort, wo ihre Finger es berührten, zu schwitzen.
Maxime probierte sofort von seinem Eis. “Es ist nicht vergiftet”, beruhigte er sie. “Haben sich die Dinge im Herzogspalast so entwickelt, dass du so etwas befürchtest?” Er schaute hinüber zur offenen Tür und entließ die Diener. Der letzte zog die Tür hinter sich zu. “Allerdings bist du zu mir gekommen, was du nie zuvor getan hast. Falls du dich also nicht noch immer nach mir sehnst …”
Camille schluckte das kühle säuerliche Zitroneneis hinunter. “Stell dich nicht dumm. Du kannst nicht so tun, als würdest du nicht absolut alles mitbekommen, was sich innerhalb der Grenzen dieses Protektorats tut. Du warst für meine Ankunft festlich gekleidet.”
“Vielleicht laufe ich immer so herum.”
“Das könnte wohl sein, aber stehst du auch immer wartend hinter dem Tor?”
Er senkte den Kopf. “Du hast deine Ankunft nicht gerade geheim gehalten, sondern bist schnurstracks auf das Haupttor zugeritten. Dein Gesicht war deutlich zu erkennen. Spätestens bei Einbruch der Dunkelheit wird jeder im Protektorat wissen, dass du hier bist, und nicht viel später wird die Neuigkeit den Herzogspalast erreichen. Dem Herzog wird dein Verrat nicht gefallen. Michel könnte sehr leicht mich für dein Verhalten verantwortlich machen. Wie wird er sich an mir und meinen Leuten rächen, Camille? Hast du daran gedacht, dass du nicht nur dein eigenes Leben, sondern auch mich in Gefahr bringst?”
Wenn Maxime tatsächlich Angst vor ihrem Gemahl hatte, würde sie nicht nur den Tisch, sondern auch gleich noch den Eiskübel aufessen. “Du wohnst in einer Festung und hast Dutzende von Schiffen unter deinem Kommando.”
“Siebenundachtzig”, erklärte er. “Doch das heißt nicht, dass ich sie zu meiner Verteidigung benutzen will. Der Sinn und Zweck von Schiffen ist, gewinnträchtigen Handel zu treiben und einflussreiche Freunde zu gewinnen.”
“Du kannst mich zur Freundin haben”, erwiderte Camille. “Ich bin eine wertvolle Verbündete.”
“Und was bin ich für dich? Willst du mich zum Freund haben?”
“Ja.” Sie sah ihn an und nickte.
“Du hast mich zwanzig Jahre lang nicht gesehen und solltest dir
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