Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
nicht so sicher sein”, erinnerte er sie.
Camille stellte ihren Becher weg und straffte den Rücken. Sie suchte seinen Blick. “Ich habe dich jetzt als Freund ausgewählt.”
“Vielen Dank. Ich bin erleichtert”, erklärte Maxime grinsend.
Sie konnte nicht anders, als bei seinen überraschenden Worten die Stirn zu runzeln. “Erleichtert?”
“Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, dass Michel ein besserer Liebhaber sein könnte als ich.”
Sie kicherte, bevor es ihr gelang, das Geräusch mit ihrer vorgehaltenen Hand zu ersticken, aber wahrscheinlich war es Maximes Absicht gewesen, sie zum Lachen zu bringen. “Ich hätte nie gedacht, dass du dich mit solchen Zweifeln herumschlägst.”
“Vielleicht werde ich alt.” In ernsterem Ton fragte er: “Warum hast du ihn verlassen? Warum ausgerechnet jetzt, nach so langer Zeit?”
“Spielt das eine Rolle?”
“Für mich ja.” Er beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf die Knie, sodass sie sein Gesicht sehen konnte. Seine dunklen Augen studierten aufmerksam ihre Züge.
Camille wandte den Blick ab. Helle, leichte Wandteppiche waren über die Steinmauern drapiert. Sie zeigten Schwärme von Fischen, die mit Goldfäden gestickt waren und im Licht glitzerten. Es war einfach für ihn, ihr in diesem hellen sonnigen Raum solche Fragen zu stellen. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, sie war nicht sicher, ob sie ihm würde antworten können. Vor ihr saß Maxime, der nur beschränkte Macht erhalten und etwas daraus gemacht hatte, während sie viel größere Möglichkeiten gehabt und sie sinnlos verschenkt hatte. Sie schämte sich, ihm ihr Versagen zu gestehen, und ihre Schwäche und ihre Dummheit während der vergangenen zwanzig Jahre. Schließlich sagte sie: “Ich hatte Angst, was im Falle meines Todes mit meinen Leuten geschehen würde.”
Maxime richtete sich abrupt auf. “Bist du krank?”
“Nein. Nein. Michel …” Sie stockte. Schluckte.
Er hob die Hand und kam ihrem Versuch weiterzusprechen zuvor. “Willst du sagen, dass er versucht, dich loszuwerden?”
Sein ruhiger Ton gab ihr Kraft. “Ich werde ihm mein Herzogtum nicht kampflos überlassen.”
“Gut.” Er schwieg eine Weile. “Du sollst wissen, dass ich versucht habe, mich laufend über dein Wohlergehen zu informieren, doch in letzter Zeit wurde es immer schwieriger, etwas zu erfahren. Ich gestehe, ich war erleichtert, als ich hörte, dass du den Palast verlassen hast. Vorher sind höchst alarmierende Gerüchte die Küste entlang zu mir vorgedrungen.”
“Dagegen war nichts zu machen”, erklärte Camille, “aber es tut mir leid, dass die Neuigkeiten dich in Sorge versetzt haben.”
“Sorge ist ein sehr mildes Wort für das, was ich gefühlt habe. Seit ich von deiner Flucht weiß, habe ich meine Boten immer wieder ausgeschickt, um etwas herauszufinden. Ich habe sehr gehofft, dass du zu mir kommst.”
“Boten” wiederholte Camille in ironischem Ton, denn sie wusste, dass er Spione meinte. “Was wolltest du mir anbieten?” Aufmerksam sah sie ihm ins Gesicht. Maximes Lippen wirkten, umgeben von seinem kurz geschnittenen dunklen Bart, sehr voll, und sie wusste noch genau, wie es sich angefühlt hatte, ihn zu küssen. Energisch verdrängte sie die Erinnerung. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, daran zu denken, welche Gefühle er in ihr ausgelöst hatte.
“Einen sicheren Unterschlupf und, falls du es wünschst, Rat und Unterstützung für die Rückreise”, erwiderte er. “Allerdings sind da einige Dinge, die ich mir als Gegenleistung wünsche.”
“Es gibt Dinge, die ich dir nicht geben kann. Die ich dir nicht geben
darf,
oder ich werde mich in einer ebenso schlimmen Situation wiederfinden, wie ich sie im Herzogspalast hinter mir gelassen habe.”
“Du musst nichts befürchten. Deine Macht über mich ist ebenso groß wie meine über dich.”
Camille nahm einen weiteren Löffel von ihrem schmelzenden Zitroneneis. “Das ist nicht dasselbe. Ich bin eine Herzogin, aber auch eine Frau. Wenn man mir gestattet hätte, nach dem Tod meines Vaters mein Herzogtum selbst zu regieren, wäre all das nicht passiert. Aber der König verweigerte seine Erlaubnis – mein Vater wollte es ebenfalls nicht –, und hier bin ich nun also. Ich habe beschlossen, mir die Macht selbst zu nehmen, solange es mir noch möglich ist. Das ist jetzt wichtiger als jede Gegenleistung, die du von mir erwartest. Glaubst du mir, dass ich mein Wort halten werde?”
“Ich vertraue dir weitaus mehr, als ich
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