Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
befehlt. Allerdings mache ich mir Sorgen …”
“Überlass das Sorgenmachen mir.”
Sobald Sylvie sich angekleidet hatte und aus dem Schlafgemach geschlüpft war, um Henri zu suchen, legte Kaspar Camille einen Kapuzenmantel um. “Könnt Ihr Euch darin gut bewegen und rasch laufen, Madame?”
Sie probierte den Faltenwurf aus und raffte den Stoff zusammen. Unter dem Mantel trug sie Reitkleidung mit einer Männerjacke, die ihre weiblichen Formen verbergen sollte. Sie fühlte sich eingezwängt, aber sie konnte sich bewegen. “Ich werde tun, was notwendig ist”, sagte sie, während Kaspar in ein Hemd schlüpfte, das er über seinen Messergurten trug und die Schnürung am Halsausschnitt verschloss. Er sah völlig fremd aus, wenn seine haarlose Brust bedeckt war: größer und massiver.
Arno kam zurück ins Zimmer. Er schob Kaspars Ärmel hoch und befestigte an seinen Handgelenken Ledergurte, in denen sich zwei kurze Messer befanden. Währenddessen gab Kaspar ihm eine ganze Reihe Anweisungen. Sein Murmeln war so leise, dass Camille seine Worte nicht verstehen konnte.
Sie wandte sich von den beiden miteinander flüsternden Eunuchen ab und ließ ein letztes Mal den Blick durch ihre Gemächer schweifen. Womöglich kehrte sie nie wieder hierher zurück. Vielleicht wurde sie auf der Reise gefangen genommen und getötet. Wenn es ihr nicht gelang, Michel zu stürzen, starb sie vielleicht, wenn sie sich ihm entgegenstellte. Es war wahrscheinlich besser, überlegte sie, im Kampf zu sterben, statt zu einem Richtblock geführt zu werden. Aber sie fand keinen Trost bei dem Gedanken, der Hinrichtung zu entkommen und auf andere Weise den Tod zu finden. Sterben hieß sterben, und sie wollte leben. Schließlich hatte sie gerade erst begonnen, auf eine bessere Zukunft zu hoffen.
Arno zog seine schlichte Kappe vom Kopf, kam zu ihr und kniete vor ihr nieder. Sie küsste ihn auf den Scheitel und zog ihn hoch. Dann nahm sie sein Gesicht in die Hände und küsste ihn zuerst auf die Wangen und zum Schluss ganz leicht auf den Mund. Sie hielt seinen Blick fest und sagte: “Ich will nicht, dass du für mich stirbst, Arno. Gib gut auf dich Acht.”
“Das werde ich, Madame”, versprach er. “Ich sollte jetzt besser gehen, wenn ich unbemerkt bleiben will.”
Camille nahm seine Hand und schloss seine Finger über ihrem Siegelring. In seiner riesigen Hand wirkte der Ring wie das Schmuckstück einer Puppe. “Du wirst deine Sache gut machen”, versicherte sie ihm. “Und nun geh.”
Nachdem Arno verschwunden war, legte Kaspar die größere ihrer Taschen über seine breiten Schultern. Dann griff er nach Camilles kleinerer Tasche, aber sie kam ihm zuvor. “Es ist mir lieber, wenn du die Hände für deine Waffen frei hast”, erklärte sie ihm und nahm selbst ihre Tasche. “Wir können nicht während der ganzen Reise das Hofzeremoniell befolgen. Jedenfalls nicht, ohne aufzufallen.”
“Also gut, Madame.” Kaspar legte eine Hand auf ihre Schulter und führte sie zu der verborgenen Tür, die ihre Zofen benutzten. Camilles Herzschlag beschleunigte sich. Sie verließ tatsächlich den Palast.
Seit ihrer Jugend war sie nicht mehr durch diese Flure gegangen. Damals war sie durch den ganzen Palast geschlichen, um zu den geheimen Treffen mit Maxime zu gelangen. Die für die Dienstboten gedachten Gänge wirkten heute dunkler und schmaler als zu jener Zeit, und eine unnatürliche Stille umgab sie, während die Absätze ihrer Reitstiefel über die zerschrammten Holzfußböden klapperten. Die Wände zwischen diesen Fluren und den Räumlichkeiten, die dahinter lagen, waren dick genug, um notfalls auch Geräusche von laut klapperndem Geschirr zu verschlucken. Darum brauchte sie nicht zu fürchten, gehört zu werden – logisches Denken half ihr in dieser Situation allerdings nicht. Die Luft schien schwer auf ihr zu lasten und war durchdrungen vom Geruch der brennenden Talgkerzen. Der Rauch kratzte sie in der Kehle.
Kaspars Stimme ließ sie zusammenzucken. “Thérèse wird frühestens in einer Stunde im Palast unterwegs sein, um die Feuer zu schüren”, erklärte er ihr. “Bis dahin sind diese Flure normalerweise verlassen.”
“Und die Wege, die aus der Festung führen?”, wollte sie wissen. Selbst als junges Mädchen war sie nachts nicht außerhalb der Mauern des Palasts gewesen, was daran lag, dass damals der Eunuch Jarman so gut auf sie aufgepasst hatte.
“Diese Wege sind weniger sicher”, gestand Kaspar. “Manchmal sind dort nachts
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