Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
am Morgen überreicht.
Mitten in dem dunklen Raum erstarrte er plötzlich, denn er war sicher, dass er nicht allein war. Er hörte, wie jemand Luft holte, und ein leichter Rosenduft erfüllte die Kammer. Nachdem er ein paar Schritte weiter gegangen war und den Geruch tief eingesogen hatte, entspannte er sich. Er legte die Sättel auf dem nächsten Bock ab. “Madame”, sagte er leise. “Ich habe Eure Pferde hergebracht. Soll ich sie hereinholen, damit Ihr sie begrüßen könnt?”
“Henri.” Sie trat aus der Dunkelheit. Über ihrer Reitkleidung trug sie eine lange Männerjacke.
Henri sank auf die Knie und sah hinunter auf den gefliesten Boden.
“Du brauchst nicht vor mir niederzuknien”, sagte die Herzogin. “Steh auf.”
Mit wild klopfendem Herzen erhob Henri sich. Er hielt den Kopf gesenkt und entdeckte ein paar Strohhalme, die an seinem Hemd klebten. Ob er es wagen konnte, die Halme wegzuwischen? Würde sie ihn dann für respektlos halten? War es nicht viel respektloser, wenn er das Stroh an seiner Kleidung ließ? Er riskierte einen Blick in ihr Gesicht. Sie lächelte.
“Willst du mir ein treu ergebener Diener sein, Henri?”, fragte sie in ernstem Ton.
“Wenn … wenn Ihr mich haben wollt, Madame.”
Die Herzogin trat dichter an ihn heran und legte ihre behandschuhten Fingerspitzen an seine Wange. Henri spürte, wie das Blut heiß in sein Gesicht schoss.
“Mein treuer Stallbursche”, flüsterte sie.
“Ja, Madame.” Zögernd blickte er ihr in die Augen und hoffte, sie würde seine Ergebenheit erkennen. Ihre Blicke versenkten sich ineinander.
Das leise Geräusch von Stiefeltritten vor der Sattelkammer unterbrach ihr Schweigen. Benommen machte Henri einen Schritt nach hinten. “Ich muss das Sattelzeug ordentlich verstauen …”
Die Herzogin verschwand wieder einige Schritte in die Schatten am Ende der Kammer. Henri wirbelte in dem Moment zur Tür herum, in dem Sylvie eintrat. Sie war noch immer wie ein Mann gekleidet und trug einen Berg dunkler Sachen über dem Arm. Unter ihrer ledernen Jagdkappe lugten blonde Haarsträhnen hervor, aber ihre strenge Miene ließ ihre scharfen Gesichtszüge noch unerbittlicher erscheinen. “Bursche!”, herrschte sie ihn an. “Lass das jetzt.” Mit ihrem freien Arm stieß sie ihn gegen die Wand.
Ihr Stoß war nicht allzu kräftig gewesen, und so erlangte Henri rasch das Gleichgewicht zurück. Er wünschte, er könnte sich überwinden, gegen eine Frau zu kämpfen. Sylvies Grobheit wurde langsam lästig. “Das Sattelzeug … ich …”
“Zieh das aus.”
“Ausziehen?” Henri blickte sich um und fragte sich, was sie meinte.
“Runter damit, du dummer Junge! Runter mit den dreckigen Klamotten! Ich lasse nicht zu, dass du Madames Augen beleidigst. Wenigstens stinkst du nicht. Nicht mehr als jeder andere Mann. Es gibt Männer im Palast, die um einiges schlimmer riechen. Also zieh dich aus.” Sie wedelte mit dem Kleiderbündel vor ihm herum, von dem ein Duft nach Zedernholz aufstieg. “Wenn du dich nicht beeilst, wird sie dich so sehen, wie du jetzt bist!”
“Aber …”
“Still! Du brauchst dein kleines Hirn, um die Knöpfe zu öffnen.”
Die Herzogin verharrte stumm in der Dunkelheit, und ohne ihre Erlaubnis würde Henri nichts über ihre Anwesenheit sagen. Sein Wissen, dass sie ihm vertrauen konnte, machte ihn stark. An Sylvie gewandt verkündete er: “Meine Sachen haben keine Knöpfe.”
Sylvie machte ein Geräusch wie eine Katze, die Gewölle hochwürgt. Sie warf die Kleidungsstücke auf die Bank und begann, die Kordel an seinem Halsausschnitt zu lösen. Ihre heißen, rauen Finger berührten dabei sein Schlüsselbein, seinen Hals, seine Brust. Wenn er Zeit gehabt hätte, darüber nachzudenken, so wäre er zu dem Schluss gekommen, ihre Hände müssten weich und eiskalt sein. Neugierig atmete er ihren Duft nach Lavendel und Leder ein. Ihr Atem roch süßlich nach Anis. Aus der Nähe wirkte sie nicht so beängstigend, aber er wagte es dennoch nicht, sie herauszufordern.
“Arme hoch!”, befahl sie, ganz in ihre Aufgabe vertieft. “Schnell.”
Henri gehorchte. Sie riss sein Hemd über den Kopf und schleuderte es zu Boden. Bevor er sie davon abhalten konnte, begann sie den Knoten seiner Hose zu lösen. Henri schloss die Augen und ließ seinen Kopf gegen die Wand in seinem Rücken sinken. Er wusste nicht, was er mit seinen Händen tun sollte. In wenigen Augenblicken würde er
nackt
sein. Vor den Augen der Herzogin.
Und
vor Sylvie. Was sollte
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