Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
aufhielten, Sylvies Mütze, die sich soeben über einen großen Krug beugte. Direkt daneben sah er den weichen, hohen Hut der Herzogin. Obwohl er darauf gefasst war, sie in ihrer Verkleidung zu sehen, zuckte er zusammen, als er den falschen grauen Bart sah, den sie sich angeklebt hatte. Er hing bis hinunter auf ihre Brust und sah noch hässlicher aus, nachdem sie den ganzen Tag damit im Regen unterwegs gewesen war. Dieser Bart stellte einen bemerkenswerten Kontrast zu ihren weiblichen Formen dar oder jedenfalls zu dem, was davon noch übrig geblieben war, nachdem Sylvie das meiste davon kunstvoll mit Hilfe von Leinenbandagen und Lederfetzen verborgen hatte.
Henri war froh, dass Sylvie sich nicht in den Kopf gesetzt hatte, ihn als Mädchen zu verkleiden. Allerdings hatte sie bereits angekündigt, ihre Verkleidungen würden sich während der Reise ändern, sodass er diesem Schicksal noch nicht endgültig entgangen war.
Mithilfe seiner Ellenbogen verschaffte er sich Platz und drängte sich durch die Menge zu dem kleinen Tisch, an dem Sylvie und die Herzogin saßen. Dort angekommen, nahm er seine Mütze ab und senkte den Kopf. “Ich grüße Euch, meine Herren”, sagte er, für den Fall, dass jemand ihn hörte.
Sylvie sah zu ihm auf. “Du bist tropfnass, Bursche”, stellte sie fest.
Stumm deutete die Herzogin auf den Hocker zwischen sich und Sylvie. Die drei Dirnen in der Ecke begannen zu rufen und zu klatschen, um die Aufmerksamkeit der übrigen Gäste zu gewinnen. Dann kündigten sie eine Vorführung an. Im Moment gelüstete es Henri nur nach Nahrung, aber inmitten der vielen Menschen, von denen ein großer Teil plötzlich etwas zu trinken bestellen wollte, gelang es ihm nicht, eine Schankmagd auf sich aufmerksam zu machen.
Die Herzogin legte einen Arm um seine Schultern und zog ihn an ihren schweren Schulmeistertalar, der nach nassem Schaf roch, aber auch nach ihr – zumindest bildete er sich das ein. Er rückte seinen Hocker näher an sie heran und lehnte sich an ihren Busen, wobei er sich erst wieder an den falschen Bart erinnerte, als er ein Kratzen im Nacken spürte.
Man würde ihn für den Lustknaben eines anderen Mannes halten. Als ihm dieser Gedanke durch den Kopf fuhr, schnappte er nach Luft und versuchte sich aufzurichten, doch die Herzogin hielt ihn fest. Sylvie kicherte hinter vorgehaltener Hand. Unter seinen gesenkten Wimpern hervor schaute Henri die Herzogin forschend an. Sie lächelte, das erkannte er an den Fältchen in den Winkeln ihrer silbern leuchtenden Augen. Seufzend entspannte er sich in ihrer Umarmung. Es war seine Pflicht, ihr zu gehorchen, sie war warm, und er wollte ihr nahe sein, sooft er nur konnte.
Als die Dirnen bei ihrer Darbietung vom Singen schlüpfriger Lieder zum Tanzen übergingen, war es Henri gelungen, Brot, eine Schüssel mit gebratenem, klein geschnittenem Lammfleisch und einen Teller mit gekochtem Gemüse und Zwiebeln zu erlangen. Er vertilgte alles bis auf den letzten Bissen. Eine Schankmagd brachte ihnen einen Krug Rotwein, der so stark war, dass ihm Tränen in die Augen traten und sich in seinem Bauch Wärme ausbreitete. Inzwischen konnte er seine Finger, die vor Kälte steif gewesen waren, wieder bewegen, und in der Hitze des Zimmers begannen auch seine Haare zu trocknen. Irgendjemand spielte Flöte, und viele der Männer klopften mit ihren Händen oder den vor ihnen stehenden Zinnbechern den Takt dazu. Henri war zu müde zum Zuschauen. Der Lärm trat in den Hintergrund, er schloss seine Augen und lehnte sich an die Herzogin.
Sie fuhr ihm mit ihrer behandschuhten Hand durchs Haar, berührte seine Wange und schlang dann ihren Arm fest um seine Taille, um ihn noch dichter an sich heranzuziehen. Schließlich näherte sie ihren Mund seinem Ohr und flüsterte: “Schau zu, Henri.”
Ihr heißer Atem strich kitzelnd über seine Haut, er erschauderte und richtete gehorsam den Blick auf die drei Dirnen. Zwei von ihnen tanzten miteinander und hielte sich dabei an den Händen. Beide hatten unter den Miedern ihre Brüste nicht eingeschnürt, und während sie sich rasch zur Musik bewegten, lugten ihre dunklen Brustwarzen immer wieder unter dem Stoff hervor. Henri begann, aufmerksamer zuzuschauen. Ab und zu stießen die Brüste der Frauen gegeneinander, und er war sicher, dass das nicht zufällig geschah.
Eine der Frauen, die magere mit den dunklen Locken und der gebräunten Haut, lächelte träge vor sich hin, als würde sie sich im Stillen über die Zuschauer lustig
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