Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
viel Zeit damit verbracht, die Zeichen zu üben, dass Sylvie die Sätze lesen konnte, ohne die Formen mit dem Stift nachzuzeichnen.
Die Nachricht lautete:
Wir sind geflohen. Belette sitzt im Gefängnis. Wir treffen uns unterwegs. Bringt das Maultier mit.
Offensichtlich in großer Eile hatte sie hinzugefügt:
Wir sind in Sicherheit. Der Bote soll sich erst ausruhen.
Kaspar und Arno stürmten ins Zimmer, gerade als Sylvie mit dem Entziffern der Sätze fertig war. “Die Pferde”, zischte Kaspar. “Die Pferde sind weg!”
“Und Madame und der Junge”, fügte Sylvie hinzu. “Wir haben den Befehl, hier zu warten, bis Arno sich ausgeruht hat, und dann auf der Straße wieder zu ihnen zu stoßen. Baron Belette hatte sie hier entdeckt.”
“Dieser Schwachkopf? Was ist passiert?”
Sylvie zuckte die Achseln. “Hier steht, dass er im Dorfgefängnis sitzt oder in einem anderen Gefängnis in der Nähe. Vielleicht hat Madame einen Weg gefunden, ihn zu beschuldigen.”
“Das werde ich herausfinden”, schwor Kaspar.
“Nicht mehr heute Abend, dazu ist keine Zeit”, erklärte Sylvie. “Erst einmal müssen wir hören, was Arno uns zu sagen hat. Es macht keinen Sinn, wenn er den ganzen Weg mit seinen Neuigkeiten zurückgelegt hat und sie dann nicht an uns weitergibt.”
“Ich glaube nicht, dass ich schlafen kann, bevor ich alles erzählt habe. Ich konnte Vilmos zum Reden bringen”, berichtete Arno. Nachdem er Sylvie fragend angeschaut und sie genickt hatte, setzte er sich aufs Bett. Müde ließ er die Schultern nach vorn fallen. Kaspar setzt sich neben ihn, legte seine riesige Hand auf Arnos Nacken und rieb ihn sanft.
“Ehrlich gesagt, musste ich nicht besonders viel Druck ausüben”, fuhr Arno fort. “Vilmos war mit Graf Maxime befreundet, als die beiden noch Kinder waren, obwohl er den jungen Herrn eigentlich für den damaligen Herzog ausspionieren sollte. Er korrespondiert immer noch mit Graf Maxime, wenn die Steuerberechnungen verschickt werden. Sollten Madame und Graf Maxime ihm den Befehl dazu erteilen, würde er den Herzog gefangen nehmen.”
“Das dürfte nicht so einfach sein”, vermutete Sylvie. “Was ist mit den Wachen des Herzogs?” Sie nahm Arno den Hut vom Kopf, kniete sich hin und begann an seinem rechten Stiefel zu ziehen. Prompt nahm Kaspar sich den anderen vor. “Halt still”, befahl sie, als Arno versuchte, sie an ihrem Tun zu hindern.
Kaspar stellte Arnos Stiefel beiseite, legte den Strumpf daneben und erklärte: “Für einen der Kammerdiener wäre es einfach, mit dem Herzog fertig zu werden. Denk daran, welche Möglichkeiten wir im Dienst hätten.”
“Vilmos hat sich bemüht, einige der Wachen auf unsere Seite zu bringen. Die meisten von ihnen kennen Madame gut, weil sie sie auf ihren Ausritten begleiteten und von ihr immer für die Extradienste belohnt wurden. Der Herzog hält sie bei der Bezahlung knapp. Sie waren nicht glücklich darüber, wie Madame behandelt wurde. Die Höflinge des Herzogs werden nicht erfahren, dass er gefangen wurde, jedenfalls nicht sofort. Vilmos kann das eine Weile geheim halten. Das hat er auch schon gemacht, wenn der Herzog indisponiert oder mit seinen Konkubinen beschäftigt war.”
Arnos Stiefel noch in den Händen, setzte Sylvie sich auf die Fersen. “Das hört sich gar nicht mehr so unmöglich an”, gab sie zu. “Aber die Entscheidung muss Madame treffen. Morgen früh werden wir ihr folgen. Nachdem wir Baron Belette besucht haben. Ich dachte, wir wären ihn los, als er sein ganzes Geld bei diesem Kanalbauprojekt verloren hat. Wir müssen dafür sorgen, dass er nicht zu früh zum Herzogspalast zurückkehrt.”
“
Ich
muss dafür sorgen.” Kaspar verbeugte sich.
“Ich werde dir helfen”, erklärte Arno störrisch. “Auf keinen Fall lasse ich dich allein gehen.”
Sylvie brauchte nur einen Moment, um zu begreifen, worüber die beiden sprachen. Sie hätte Belette mit Freuden selbst getötet, wenn die Eunuchen ihr nur erlaubt hätten, auch einen Teil der Waffenpflichten zu übernehmen. Allerdings hätte Madame dem niemals zugestimmt, und Sylvie hätte so etwas nicht vor ihr geheim gehalten.
“Niemand wird umgebracht”, bestimmte sie energisch. “Das würde Madame nicht gefallen. Und nun ruhen wir uns aus.” Als Kaspar sie spöttisch ansah, fügte sie hinzu: “Falls es dir recht ist, Kaspar? Du trägst die Verantwortung.”
Gedankenverloren stellte Arno fest: “Ich nehme an, Belettes Tod würde Madame la Duchesse angelastet werden,
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