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Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber

Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber

Titel: Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Janssen
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hatte sie die beiden auf einer Bank sitzen sehen, so dicht nebeneinander, dass ihre Schenkel sich berührten, obwohl sie einander nicht ansahen. Damals hatte sie sich darüber gewundert. Auf der anderen Seite des Raumes hatte ein Stuhl gestanden, den einer von ihnen hätte benutzen können. Vielleicht hatte der Stuhl für eine vertrauliche Unterhaltung zu weit entfernt gestanden. Vielleicht.
    Sylvie beobachtete Kaspar, während sie weiter über diese Frage nachdachte. Das war besser als an die Steine auf dem Boden zu denken, die sich schmerzhaft in ihr Hinterteil bohrten.
    Es dämmerte. Als die Sonne unterging, tastete sie in ihrer Jackentasche nach dem Feuerstein und dem Stahl. Wenn sie ein Feuer machten, würden sie mehr wie normale Reisende wirken – jedenfalls solange niemand bemerkte, dass sie keinerlei Gepäck bei sich hatten.
    Sie seufzte. Kaspar würde nicht wollen, dass sie sich durch ein loderndes Feuer möglicherweise feindseligen Blicken aussetzten. Manchmal glaubte sie, er erwartete hinter jedem Busch einen Späher des Herzogs. Allerdings wäre sie auch vorsichtig geworden, wenn jemand sie gefesselt und ihr die Hoden abgeschnitten hätte.
    Das Mondlicht war hell genug, um in seinem Schein Umrisse erkennen zu können. Sie konzentrierte sich so sehr auf die vagen Schatten der Bäume und Büsche, dass sie Kaspars rasche, lautlose Bewegungen fast nicht bemerkt hätte. Angespannt horchte Sylvie in die Dunkelheit. Sie hörte Hufe durch den Staub traben und dann die Tritte von Stiefeln. Das Gebüsch knackte, und Kaspar brach auf die Straße durch. “Arno!”, rief er.
    Während sie versuchte, ihm möglichst rasch zu folgen, stolperte Sylvie. Unterdrückt fluchend befreite sie ihren Ärmel aus dem Rosenbusch und zog einen Dorn aus dem weichen Fleisch ihrer Hand. Kaspars Axt fuhr krachend durch die Hecke, um einen Durchgang für Arno und sein Pferd zu schaffen, und Sylvie fuhr erschrocken zurück.
    “Wie äußerst vorsichtig!”, spottete sie, sobald sie wieder zu Atem gekommen war. “Ich glaube nicht, dass irgendjemand diesen Lärm überhört hat.”
    Eine große Hand fiel auf ihre Schulter herab, wodurch sie fast in die Knie ging. “Ich hätte nie geglaubt, dass ich mich eines Tages freuen würde, eine deiner Schimpftiraden zu hören!”, stellte Arno fest.
    “Und ich hätte nie geglaubt, dich lebend wiederzusehen”, gestand Sylvie und griff nach seinem Unterarm, der so kräftig war, dass ihre Finger nicht darum herumreichten.
    “Ich bin selber erstaunt, dass ich noch lebe”, erwiderte er.
    Auf dem Weg zurück zu Lilas und Tonnelle führte Kaspar das Pferd, während Sylvie und Arno ihm folgten. Dann ritten sie gemeinsam zurück zum Gasthaus. Als sie sich dem beleuchteten Hof vor den Ställen näherten, sah Sylvie, dass Arno als Knecht verkleidet war. Eine gute Wahl. Seine Größe war auffällig, doch sein Haar war inzwischen lang genug, um unter der Hutkrempe sichtbar zu sein, und die wirre Mähne passte zum Bild eines Bauerntrampels, wie man ihnen durchaus auch nachts auf den ländlichen Straßen begegnete. Sie beschloss, ihn im Gasthof als Freund aus ihrem Heimatdorf vorzustellen. Sie seien ihm zufällig unterwegs begegnet, und er habe eingewilligt, mit ihnen gemeinsam im Gasthaus zu übernachten, obwohl er bereits sein Nachtlager neben der Straße aufgeschlagen hätte. Diese Erklärung würde sie spätestens morgens benötigen, wenn Arno plötzlich beim Frühstück erschien.
    Sie hoffte, dass Madame inzwischen mit Henri fertig war, denn sie hatte keine Lust, die Nacht auf dem Flur zu verbringen.
    Vor der Tür zu ihrem Zimmer erstarrte Sylvie und tastete nach den Pistolen unter ihrem Umhang. Irgendetwas stimmte nicht. Aus dem Zimmer hätten Geräusche dringen müssen, Atemzüge und Geraschel, doch sie hörte nichts. Mit ängstlich pochendem Herzen öffnete sie die Tür. Als ihr die abgestandene Luft entgegenschlug, wusste sie sofort, dass das Zimmer leer war.
    Nachdem sie wieder einigermaßen ruhig atmen konnte, zündete Sylvie die Kerze an. Zwei der Satteltaschen waren fort, und Madame hatte eine Nachricht hinterlassen, die sie mit einer Nadel an der Bettdecke befestigt hatte. Als ob eine Familie, wie sie sie versuchten darzustellen, eine gute Stahlnadel zurücklassen würde! Sylvie steckte die Nadel sorgfältig ins Futter ihre Jacke und hielt die Nachricht in die Nähe der Kerze. Wieder einmal war sie froh darüber, dass sie der Herzogin eine einfache Geheimschrift beigebracht hatte. Sie hatten so

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