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Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
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selbstgefällig und Sinnes betörend wie eine Kokotte, hüllt ihn ein und lässt unser Bewusstsein nur schwerlich bis dorthin vordringen. Im Gemüt nämlich sind die aktiven Eigenschaften zu Hause, wobei die primitiven, wie Hass, Leidenschaften und Brutalitäten, in den gröbsten Schichten liegen. Nicht liegen, sie brodeln dort, peitschen einen auf, gebärden sich als Feuer sprühender Drache. Und dieses Untier, das viele auch als ihren inneren Schweinehund bezeichnen, müsst ihr bezähmen. Ein Hoher Ratsstudent muss sein Gemüt bis zu einem gewissen Grad gereinigt und bestimmte hohe Seelenkräfte in sich erweckt haben, will er die Abschlussprüfung der Druidenschule bestehen.
Wenden wir uns wieder der inneren Region zu. Je tiefer wir in die Seele dringen, als desto lichter erschließt sie sich uns, und im Seelengrund strahlt ein Funke Tivars - unser wahres, unsterbliches Ich. Odin, die erhabenste aller Gottheiten, hat der Menschheit einst mit seinem Odem das Himmelsfeuer in die Seele gehaucht, aufdass wir nach spiritueller Erkenntnis streben.
Doch Odin hat einen Gegenspieler, den boshaften, listreichen Loki - die Christen nennen ihn Lucifer. Unentwegt schürt Loki unser inneres Drachenfeuer, um uns von höherem Streben abzulenken. Was ihm auch gelingt, denn er versteht sein Handwerk, wie mir wohl jeder von euch bestätigen kann.
Ihr seht, meine Lieben, die Menschenseele birgt gleichermaßen das himmlische Feuer Odins wie die verderblichen Flammen Lokis in sich. Genau diese Polarität bewirkt das unbewusste Aufwärtsstreben in uns, und eben das habt ihr euch von nun an bewusst zu machen.“
    M onde vergingen, eine aufregende, anregende und anstrengende Zeit. Für eine der Studentinnen und wenig später auch für zwei der Junker zu anstrengend. Sie mussten bereits im Laufe des ersten Halbjahres ihre Ausbildung abbrechen, woraufhin jeder der Drei in das einfache Ratsstudium überwechselte.
Den übrigen acht Schülern räumte Ethne gute Chancen ein.
Besonderes Gewicht legten die Lehrer auf das Fach ‚Verwalten und Menschenführung’, da ein Adelsrat stets eine leitende Position einnimmt, und so interessant dieser Unterricht auch war, die meisten Schüler taten sich schwer damit. Dem allgemein bildenden Unterricht hingegen, der während der warmen Jahreszeiten überwiegend auf den Wiesen des Schulgeländes abgehalten wurde, konnten alle gut folgen. Wobei Chlodwig wieder mit seinem bestechenden Intellekt brillierte, nur in seinen Lieblingsfächern, der Astrologie und der Orakelkunde, glitt sein heller Verstand häufig ins Wunderliche ab. Anfangsschwierigkeiten, meinten die Lehrer, vielleicht auch sein Übereifer. Ähnliche Schwächen bewies Chlodwig auch bei den Konzentrationsübungen. Die allerdings fielen keinem Schüler leicht, da sie stetig ansteigende Disziplin erforderten.
Doch waren diese Konzentrationsübungen unerlässliche Vorbereitungen für Meditationen, die Ethne ihnen schließlich nach Beendigung der Winterferien beibrachte. Zunächst beizubringen versuchte, denn eine wahre Meditation, hatte sie ihnen von vornherein angekündigt, bei der das klare Bewusstsein tief in die Seele tauche, lerne man nicht leicht. Auch sei nur ein Mensch mit lauterem Charakter dazu befähigt. Deshalb korrigierte sie auch stets das Verhalten der Schüler, indem sie unschöne Gemütsregungen rügte: „Das ist nicht reine Bewunderung, Gunhild, da schwingt Neid mit.“
Oder: „Schon wieder ärgerlich, Waldur? Über diese Kleinigkeit?“
„Ich bin nicht ärgerlich.“
„Doch, nur merkst du das nicht. Beobachte dich besser, und gewöhne dir diese Unart ab.“
Vorrangig kritisierte sie mangelnde Rücksichtnahme: „Kannst du das Ingo nicht taktvoller zu verstehen geben?“
Oder: „Hast du nicht bedacht, dass es Chlodwig dort zu kühl werden kann? Er friert doch leicht.“
Ihre Konzentration müsse stets auf das gerichtet sein, was sie gerade sagten oder ausführten, erklärte sie ihnen, ob es sich dabei nun um große Taten handle oder nur um Kleinigkeiten, wie Schuhe zubinden. Das bedeute allerdings nicht, nur auf sich selbst ausgerichtet zu sein, im Gegenteil, ihr Feingefühl müsse ihnen jederzeit anzeigen, wie es um die Menschen um sie her bestellt sei, um gegebenenfalls auf sie eingehen zu können. Und Ethne beobachtete sehr genau, wie sich jeder um all dies bemühte.
So lernten sie, sich selbst kritischer und andere aufmerksamer zu betrachten, und daraus erwuchs in ihnen eigenes Zurückstellen und feinfühlige

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