Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
würden über ihn herfallen, sowie er ohne den Schutz seines Mäzens dastünde.«
»So vernünftig das auch sein mag, es stimmt nicht. Noß ist hier. Hier in Amorbach.«
»Magdalene, das kann nicht sein.«
»Trine weiß es. Sie erwähnte es beiläufig und ich ließ vor Schreck einen Krug fallen. Da berichtete sie mir, wie er herkam.«
Hilflos schüttelte Lukas den Kopf und konnte vor Entsetzen den Mund nicht schließen. »Noß ist hier?«, flüsterte er.
Magdalene streifte seine schlaffen Hände ab und setzte sich auf einen Stuhl. Über die Lehne gebeugt begann sie zu weinen. Dieser Anblick erzürnte Lukas so sehr, dass er die Herrschaft über seine Muskeln wiedergewann. »Dieses Ungeheuer!«, stieß er hervor. Wild stürmte er aus der Tür die schmale Treppe empor in die Nacht. »Trine!«, schrie er so laut in den Innenhof, dass die Scheiben der Fenster klirrten.
Nur Sekunden dauerte es, bis eines der Fenster aufgestoßen wurde und die Magd herausschaute. »Ja, Herr, hier bin ich.«
Ihr erschrockenes Gesicht tat ihm leid, er nahm seine Stimme zurück. »Trine, komm bitte sofort herunter.«
»Ja, Herr«, hörte er schon aus der Küche und sie stürmte gleich darauf aus der Hintertür. Lukas ging zurück ins Laboratorium, wartete, bis sie ihm nachkam, und schloss die Tür.
»Trine, was hast du meiner Schwester erzählt? Noß sei hier?«
Die Magd knickste. »Ja, Herr. Ein Herr Zentgraf Balthasar Noß. Er war es, der die letzte Woche das Verhör der Schultheißin geführt hatte und ihre Verbrechen bewies. Gottes Fügung sei es, so sagt man, dass er in der Nähe weilte. Die Unholdin widerstand der Kunst des Henkers, bis der Amtmann verzweifelte. Dem Zentgrafen gelang, was keiner vermochte: Sie gestand, ohne gleich hinterher zu widerrufen.«
»Gottes Fügung.« Lukas flüsterte es nur und ließ sich auf den zweiten Stuhl sinken. »Alles, aber das nicht. Trine, sprich, war er es auch damals, vor elf Jahren, der deine Mutter …«
»Gott hab sie selig«, kam es automatisch von Trine. »Nein, Herr. Damals übernahm es der Oberamtmann Weißstätter, den letztes Jahr ein verirrter Pfeil der Schweden von uns nahm. Ich besuchte sein Grab.«
Das hatte sie getan, spät nach Mitternacht, wie sie Magdalene in aller Verschwiegenheit erzählt hatte. Wochenlang mussten die Honoratioren der Stadt spekulieren, wer die Grabstätte des ehrenwerten Bürgers wohl geschändet hatte, indem er es mit seiner Notdurft beschmutzte.
So sehr Lukas die Neuigkeit schockierte, die Erinnerung an die Rache der Magd ließ seine Mundwinkel zucken. Wenn die Angelegenheit mit dem Zentgrafen sich doch auch so zufriedenstellend lösen ließe!
»Trine, wie kam er her?«
»Danach werde ich mich erkundigen, Herr. Wenn ich gewusst hätte, dass er es war, der das gnädige Fräulein …«
»Bitte, Trine«, unterbrach er sie, »erkundige dich.«
Sofort schloss sie den Mund, knickste und verließ den Raum.
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Niemand kam vorbei. Es tat sich nichts auf dem Flur. Alles blieb ruhig. Luzia beobachtete die stetige Flamme, bis ihre Augen brannten. Die Langeweile wich der Ungeduld.
Nach einer Zeit, die sie unmöglich schätzen konnte, sprang sie auf und wanderte herum. Der Raum maß zehn Schritte in jede Richtung. Zaghaft prüfte sie die Türklinke - natürlich noch immer abgeschlossen. Sie nahm die Wanderung wieder auf. Als sie es nicht mehr aushielt, hämmerte sie doch gegen die Tür. Laut rief sie und als sich nichts tat, hämmerte sie wieder, und zum Schluss trat sie gegen das harte Holz. Nach einer Weile, als sie sich beruhigt hatte, sah sie, dass sie nicht einmal einen Kratzer verursacht hatte. Luzia setzte sich auf das Stroh und leerte ihre Taschen. Ein paar Kreuzer, Nadeln, Nägel, zusammengeknüllt ein Strang Garn, ihr Messerchen und die Haken, ihre Dietriche. Wie es aussah, war sie hier ganz allein. Bestimmt kam niemand vor morgen früh. Womöglich konnte sie sich selbst ja mit ihren Fähigkeiten aus dieser Situation heraushelfen?
Luzia ging zur Tür und stellte sich davor. Dieses Schloss besaß einen ganz normalen Schlüssel, es war abgeschlossen und der Schlüssel abgezogen. Ursprünglich hatte man diesen Raum wohl nicht als Kerker gedacht, denn das Schloss war von beiden Seiten zugängig. In einen Kerker sperrte man Diebe, und die konnten Schlösser öffnen. Wie Luzia. Sie holte einen Nagel und einen Haken heraus und bückte sich zum Schloss. Gut geölt und gängig, ein Kinderspiel. Erleichtert atmete sie auf. Kein Problem, das Schloss zu
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