Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
drehen, butterweich öffnete sich die Tür. Sie zog den Dietrich ab und schlüpfte heraus. Die Büttel waren verschwenderisch, im Korridor hatten sie auch ein Licht zurückgelassen. Bienenwachs kostete viel und wurde nur auf dem Altar verwendet. Der Sakristan würde fluchen, wenn er das sah.
Sie hörte keinen Laut. Von der Treppe aus hatte der Gang zwei Türen links und vier rechts, dazu eine auf der Stirnseite. Anscheinend befand sie sich hier ganz allein. Leise schlich Luzia die Treppe hoch und drückte gegen die Klappe. Sie rührte sich nicht um Haaresbreite. Das war kein rohes Holz wie die Türen, sondern fein geschliffen und weiß bemalt, so dass es gar nicht als Tür auffiel. Trotzdem musste es oben einen Riegel geben, den sie vorhin gar nicht bemerkt hatte. So sauber die Klappe gefertigt war, sie war alt und hatte Risse bekommen. Mit einem Nagel fuhr Luzia hinein und versuchte, einen der Risse zu erweitern. Leise knackte das Holz und die Bretter verschoben sich. Das ging nur um Weniges und sie mühte sich, bis die Finger wehtaten, aber dann konnte sie wenigstens den Nagel durch die gesamte Dicke der Klappe hindurchstecken. Mit einem Haken tastete sie durch den Riss nach dem Riegel.
Ein Geräusch ließ sie hochschrecken. Das war die Tür zur Kapelle. Auf gar keinen Fall durfte man sie erwischen! Luzia raffte ihre Werkzeuge zusammen und hastete zurück in die Zelle. Lautlos zog sie die Tür hinter sich zu und drehte gerade den Haken im Schloss herum, als sie die Klappe hörte. Sie warf sich auf das Stroh, legte sich hin und schloss die Augen. Nur ein gutes Gewissen träumt süß, darum stellte sie sich schlafend. Kaum lag sie in Position, öffnete sich die Tür. Nach einem Blinzeln stand sie auf. Ein Mönch, das musste ein Benediktiner aus dem Kloster sein, sah herein. Er stellte einen Eimer Wasser und einen Becher neben die Tür, legte einen Kanten Brot daneben und verschwand, bevor sie auch nur den Mund öffnen konnte. Er schloss die Tür, der Schlüssel rappelte. Na großartig. Hastig eilte sie zur Tür und klopfte nicht zu heftig dagegen. »Herr, bitte, sagt mir doch …«
Seine Schritte verschwanden über den Korridor, die Stufen hinauf. Die Falltür klappte, der Riegel rastete ein und dann herrschte wieder Totenstille um sie herum. Luzia konnte das einfach nicht begreifen. Was sollte das? Der Mönch hatte sie ja nicht einmal angesehen. Wenn sie es sich recht überlegte, hatte sie niemand angesehen, weder die beiden Wachen am unteren Tor noch die Büttel. Auch die Wachen am oberen Tor hatten geflissentlich weggeschaut. Unglaublich. Sie holte sich das Brot und schöpfte mit dem Becher Wasser aus dem Eimer, frisches Quellwasser. Nicht gerade üppig, Wasser und Brot. Immerhin frisch. Ihr Magen knurrte, als der würzige Brotduft in ihre Nase zog. Luzia hatte nach der langen Wartezeit gehörig Hunger. So karg die Mahlzeit auch war, sie aß mit Appetit.
Wahrscheinlich war schon Sonnenaufgang vorbei und bei dem Mönch handelte es sich um den, der jeden Morgen nach der Kapelle schaute. Ab jetzt besuchten Pilger die Kapelle, also konnte sie nicht mehr ungesehen zur Klappe hinaus. Zumindest hatte man wohl nicht vor, sie hier verschmachten zu lassen. Als nach gehöriger Zeit noch immer nichts geschah, öffnete Luzia wieder die Tür und begann eine Erkundungstour. Vielleicht gab es einen anderen Ausgang ins Freie. Die anderen Türen waren nicht abgeschlossen und sie sah sich gründlich um. Auf ihrer Seite des Korridors lagen vier genau gleiche Zellen und auf der Stirnseite ein größerer Raum. Hier standen Stühle um einen Tisch, es gab ein Ausgussbecken und eine Feuerstelle mit Abzug in einen Schornstein, fast wie die Küche der Böttcherin, nur ohne Fenster. Das hier musste in den Felsabhang eingebaut sein, auf dem die Kapelle stand. Wohin sonst sollte das Wasser fließen? Es zog entsetzlich, wohl durch den Kaminabzug. Hinter ihr wehte die Tür zu und Luzia konnte nur im letzten Moment verhindern, dass es einen lauten Knall gab. Sorgfältig untersuchte sie die Feuerstelle, aber ein massives Gitter war eingelassen – wohl um das Eindringen feindlicher Söldner zu verhindern. Trotzdem war die Burg geschliffen worden. Luzia rieb sich über die Arme und verließ schnell den Raum.
Die beiden Gelasse auf der anderen Seite des Korridors waren leer, aber größer und höher. Ihr fiel eine Anzahl von stabilen Haken auf, fest in die rohe Decke eingefügt. Daran konnte man einen Ochsen aufhängen. Was wollte man hier nur
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