Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
lagern? Oder hatte es mit der Verteidigung der ehemaligen Burg zu tun? Es stand sonst nichts in den beiden Räumen, vor allem gab es keinen Ausgang.
Diese beiden Kammern ließen eine Gänsehaut bei ihr entstehen. Was auch immer dort hinein gehörte, sie wollte es gar nicht wissen, sie wollte nur raus hier. Aber dazu musste sie erst einmal gründlich überlegen. Sorgfältig schloss sie die Türen alle wieder, setzte sich auf ihr Lager und ließ den Dietrich verschwinden. Nach einer Weile legte sie sich hin und schloss die Augen.
Kapitel 3 - Die Inquisition
Eigentlich hasste Lukas es, weit vor Mittag aus dem Schlaf gerissen zu werden. Wenn er bis in die Morgenstunden Sterne beobachtete oder Experimente in seinem Laboratorium auswertete, brauchte er seine Ruhe. Niemand allerdings weckte ihn heute, sondern er fühlte sich noch sanft im Traum, bis ihm bewusst wurde, dass nicht die Stimme seiner schon lange verblichenen Mutter an sein Ohr drang. Er hörte eine vertraute Melodie, aber die Worte passten nicht zu seinen Kindheitserinnerungen. Das Lied schwebte durch die Läden seines Schlafzimmers wie eine kühle Brise in der Sommernacht, so lieblich, dass es ihn aus dem Bett trieb. Schlaftrunken tastete er sich zum Fensterladen und öffnete ihn. Gleich blendete die Sonne seine noch immer von Dämpfen geröteten Augen, ein Windstoß prellte ihm den Laden aus der Hand und mit einem dumpfen Knall schlug er an die Wand. Sofort verstummte die Stimme.
Lukas riss die Augen auf und sah hinunter. Dort stand im Garten des Nachbarhauses die schöne Witwe mit ihrer Magd und hängte Wäsche zum Bleichen heraus. Lukas konnte nicht vermeiden zu bemerken, dass es sich um ausgesprochen schönes Leinen handelte, sorgfältig an den Säumen verziert und weiß bestickt. Die beiden Frauen starrten erschrocken empor.
»Guten Morgen!«, rief er hinunter, wobei seine Stimme kratzig klang, als habe er den letzten Abend zu sehr dem Wein zugesprochen.
Die Miene der Witwe hellte sich auf. Glockenhell lachte sie und Lukas schloss, dass es ihre Stimme war, die ihn geweckt hatte.
»Wohl kaum«, rief sie ihm zu. »Der Morgen ist vorbei. Ich habe schon zu Mittag gegessen.«
»Oh!«, entfuhr es Lukas. Er räusperte sich. »Nun, die Sterne zu beobachten ist kein Werk für einen Sonnentag.«
»Aber sicher, Herr von Wegener. Ich bitte um Entschuldigung, sollte ich dich geweckt haben. Es hätte mir auffallen müssen, dass dein Laden noch geschlossen ist.«
Es hätte Lukas peinlich sein müssen, um diese Zeit im Nachtkleid mit der Nachbarin zu plaudern, doch erstaunlicherweise fühlte er sich wohl dabei. Es tat gut, eine fröhliche Stimme zu hören. Wahrscheinlich spiegelte sich das in seinem Gesicht wider, denn Frau Cäcilie lachte unerwartet. Sie besaß wunderschöne weiße Zähne. Gleich verbarg sie ihr Lachen hinter vorgehaltener Hand und blickte betreten zu Boden. Lange konnte sie das aber nicht aufrechterhalten, denn sie deutete auf das Grün eines Beetes.
»Die Petersilie wächst großartig. Herr, darf ich dir davon herüberbringen, damit deine Wangen mehr rot zeigen?«
Er war sich dessen nicht bewusst, blass auszusehen, und fuhr sich gleich mit der Hand ins Gesicht. Außer Bartstoppeln fühlte er natürlich nichts. So konnte er die Dame nicht empfangen. »Äh«, machte er und trat einen halben Schritt rückwärts. »Frau Cäcilie, wie liebenswürdig. Die Köchin wird jauchzen, weil doch auf dem Markt nur so wenig Grünes zu haben ist. Darf … darf ich dich zu … zu einer Tasse Kaffee bitten - am Nachmittag. Besser am Nachmittag, dann gebe ich der Köchin Gelegenheit, einen Kuchen zu reichen. Sie sagte, wir hätten noch Safran vom letzten Jahr.«
»Safran!« Bewunderung war aus ihrer lieblichen Stimme herauszuhören. »Oh, wie gerne. Und Kaffee … Gerne komme ich.«
Mit einem Nicken trat Lukas vom Fenster zurück. Was sollte das denn eben? Wollte er seine Zeit mit Weiberkram vertrödeln? Über das Experiment heute Nacht hatte er das Horoskop des Erzbischofs vergessen. Die Beobachtungen waren niedergeschrieben, nun fehlte noch die Berechnung. Das konnte an einem Nachmittag geschehen, aber nicht, wenn er auf Freiersfüßen wandelte.
Unsinn, eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen machten noch keinen Bräutigam aus ihm. Damit würde er auch Magdalene auf andere Gedanken bringen. Wenn jemand blasse Wangen besaß, dann doch wohl sie. Außer zur Beichte verließ sie das Haus kaum noch. Ein so sonnendurchfluteter Garten wie bei der Nachbarin
Weitere Kostenlose Bücher