Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
Dokument, mit dem unser Leben beginnt. Erst dann unterscheiden wir uns vom Tier. Es beweist unsere Verbundenheit mit unserem Herrn Jesus Christus und bekundet, dass er uns angenommen hat. Dieses Dokument darf nie verloren gehen, denn es ist wichtiger als unser Leben.«
»Ja, Magdalene, so ist es. Du weißt nicht, wie sehr es mich glücklich macht, dich auf den rechten Weg zurückgeführt zu haben. Jeden Tag bete ich, dass du standhaft bleibst. Schau nur, Luz, es ist möglich, den rechten Weg wiederzufinden, wenn man ihn einmal verloren hat. Genauso wie du, Magdalene, wird auch Luzia eines Tages wieder im Licht des Herrn wandeln. Nun, Magdalene, ich danke für das Bier. Jetzt muss ich dich verlassen, denn meine Aufgabe für den heutigen Tag ist es, Luzia eine Lektion zu erteilen.«
Bei diesen Worten hob sich Luzias Magen und drückte schmerzhaft. Unwiderstehlich zog der Zentgraf sie am Ellbogen hoch und schob sie aus dem Raum. Sein letzter Blick galt dem noch immer offen stehenden Schrank und dem leeren Fach darin. Magdalene erhob sich schnell, schaffte es aber nicht, den beiden zuvorzukommen und die Tür zu öffnen. Das tat Balthasar selbst und sagte kein weiteres Wort mehr. Auf der Treppe stolperte Luzia mit den ungewohnten Schuhen und Balthasar bewahrte sie mit starkem Arm vor dem Fall. Dabei kam er ihr so nahe, dass sein Mantel gegen ihr Bein schlug. Irgendetwas Schweres trug er in der Tasche, das Gebetbuch. Trotz seiner Stütze ließ sie sich gegen die Täfelung des Treppenhauses fallen und hielt sich den Weg die Treppe hinunter daran. Er nahm sie die gesamte weitere Strecke durch die Stadt fest am Arm und führte sie. Obwohl sie nicht wagte sich umzuschauen, sah sie im Augenwinkel mal den einen, mal den anderen der beiden Büttel aus dem Keller. Flucht war also zwecklos, selbst wenn sie sich aus dem Griff des Zentgrafen befreite.
Durch das Stadttor führte er sie geradewegs auf den Weg zurück zur Kapelle. Auf dem Steg über den Bach hielt er an. »So, Luz, jetzt nimm die Papiere und wirf sie ins Wasser.«
Nur einen erschrockenen Blick warf sie ihm zu. Seine unerbittlichen Augen machten, dass sie sich beeilte. Unter ihrer Schürze zog sie den Aktendeckel hervor. Die Holzlatten des Steges ließen Lücken genug, den Bach rauschen zu sehen. Sie fasste mit beiden Händen die Pappe und zerriss sie in zwei Teile, dann die wieder in zwei, bis sie nur noch Schnipsel in der Hand hielt. Mit erhobener Hand ließ sie die Pappestückchen herunterrieseln. Wie Blütenblätter fielen sie in das schäumende Wasser und wurden fortgetragen.
Noß trat einen Schritt näher an den Rand des Stegs, beugte sich vor und sah den letzten Fleckchen hinterher. »Das lässt das Licht der Wahrheit heller strahlen, Luz. Gehen wir weiter.«
Die Kapelle war leer wie vorher. Bis zur Bodenklappe hoffte sie noch immer, dass er sie jetzt freilassen würde, aber er brachte sie zu ihrer Zelle zurück, drückte ihr ein Gebetbuch in die Hand und verschloss die Tür.
Kapitel 5 - Flucht!
So war das also. Da saß Luzia wieder auf dem Stroh und fürchtete, was noch kam. Von wegen Handel. Wozu auch immer diese Papiere verschwinden sollten, sie hatte ihm den Gefallen getan und bekam im Gegenzug nichts. Schlimmstenfalls hatte sie seine Meinung bestärkt, dass sie eine Hexe war. Und dann … Nein! Sie wollte nicht einmal daran denken. Ein Handel hatte immer zwei Seiten. Er versprach ihr einen Handel und sie hatte ihren Teil erfüllt. Sie weigerte sich zu glauben, dass er sein Wort nicht hielt. Jetzt würde er ihr etwas anbieten. Strafe, hatte er gesagt. Eine Strafe erwartete sie. Gut, vielleicht hatte sie Strafe für ihre Diebstähle verdient. Eine Tracht Prügel, einige Wochen Gefängnis, einen Monat oder zwei. Obwohl sie niemandem wehtat mit ihren Diebereien, bestanden doch die Reichen darauf, auf gar keinen Fall bestohlen zu werden oder etwas zu verschenken. War es denn nicht christliches Gebot, denen zu geben, die weniger hatten? Nein, darüber durfte sie nicht diskutieren, denn Mönche, die diese Ansicht vertraten, das Armutsgebot predigten, landeten auch auf dem Scheiterhaufen. Luzia würde hier einige Zeit im Gefängnis verbringen und wenn sie herauskam, war Gras über ihre Gaunereien gewachsen, niemand dachte mehr an sie. Sie hatte alles getan, was er verlangte. Es konnte gar nicht so schlimm kommen.
»Du solltest lesen. Das Gebet spendet Trost.«
Sie zuckte bei seiner Stimme zusammen, weil sie Noß gar nicht hatte kommen hören. Zögerlich
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