Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
Ärmel eine Flasche vom Arbeitstisch. Peng! Die Flasche zerschellte in tausend Scherben und eine dampfende Pfütze.
»Um Gottes Willen, nein!«, schrie Lukas dem Mann zu, der sich bückte und die Scherben aufheben wollte.
Völlig unverständig hob er das Gesicht und stierte Lukas an.
»Wie?«
»Nicht anfassen! Das ist Säure. Starkes Gift. Die Berührung allein schadet. Benetze damit deine Hand oder lasse sie dir vom Henker abschlagen - einerlei. Ich zöge den Henker vor.«
Zaudernd zog er seine Hand zurück, machte weiterhin allerdings einen großen Bogen um die Pfütze, die jetzt deutlich die Sägespäne auf dem Boden verkohlte. Rauch stieg ätzend auf und reizte die beiden Männer zum Niesen. Lukas stand wohlweislich in der offenen Tür. Nur selten genehmigte er sich einen Blick auf die Pfütze, die genau auf der Luke nach unten entstanden war.
Fast eine Stunde dauerte es, bis die Büttel sich achselzuckend ansahen und aufgaben. Mit einem Seufzen schüttete Lukas weitere Sägespäne und Natron in die Säurepfütze, dann fegte er die nun feuchte Streu zur Seite und wischte noch mehrmals mit frischem Wasser nach. Leise fluchte er, als es schon wieder an der Tür klopfte.
Eines der Mädchen knickste in der Tür und bemühte sich, ihr Naserümpfen nicht deutlich werden zu lassen. Es stank nach verfaulten Eiern in dem Keller, beißender Rauch lag in der Luft. Plötzlich nieste sie, dann erst hob sie die Hand vor die Nase. Mit niedergeschlagenen Augen und roten Wangen knickste sie erneut. »Herr, der Zentgraf aus Fulda wartet im Speisezimmer.«
Diesmal war es an Lukas, rote Wangen zu bekommen. Er fühlte, wie die Wut in ihm hochstieg. Seine Fäuste ballten sich, bis die Fingernägel blutige Furchen in die Handflächen ritzten, dann zwang er sich zu einem Lächeln. »Gut, ich werde den hohen Herrn empfangen. Serviere ihm … ein Bier. Das mag er.«
Das Mädchen verschwand eilig und wedelte mit der Hand vor der Nase. Lukas verschloss sorgfältig die Tür hinter sich und schnupperte an seinen Kleidern, ein Gemisch aus faulen Eiern und totem Fisch. Nun, er hatte nicht um den Besuch gebeten, einen frisch gebadeten Gastgeber konnte Noß nicht erwarten.
Nichtsdestotrotz zauberte Lukas in der Wohnung eine freundliche Miene in sein Gesicht. »Zentgraf Noß, welch unerwartete Ehre. Was führt Euch zu mir?«
Noß erwiderte nicht die Freundlichkeit, seine Haltung blieb unerbittlich streng. »Was soll das Schauspiel, Wegener? Das wisst Ihr ganz genau. Wo ist Magdalene?«
»Zentgraf, selbst wenn ich es wüsste, ich würde es Euch nicht sagen. Ihr seid Richter in Fulda, nicht in Amorbach. Der Erzbischof in Mainz mag Euch eine beratende Funktion zugestehen, aber keinerlei Amtsgewalt. Die Verfolgung meiner Schwester bedeutet reine Willkür. Sie hat sich nichts zu Schulden kommen lassen.«
»Warum entzieht sie sich dann meiner Befragung?«
»Warum sollte sie sich dieser aussetzen?«, konterte Lukas. »Ihre zarte Gesundheit verträgt die Kellerluft nicht. Darum wird sie wohl eine Luftveränderung vorgezogen haben.«
»Also wisst Ihr nicht, wo sie sich befindet?«
»Ich bin nicht meiner Schwester Vormund. Sie darf selbst ihre Geschäfte führen. Solange sie die Schicklichkeit einhält, ficht mich ihr Ausflug nicht an.«
»Erklärt mir nicht, dass sie ohne Euer Wissen die Stadt verlässt!«
Lukas zog sich einen Stuhl heran und ließ sich darauf nieder. Genüsslich streckte er die Füße von sich und hoffte, dass Noß nicht auf die weichen Knie seines Gegenübers aufmerksam wurde. »Wer weiß, vielleicht sagte sie es mir? Manchmal bin ich so vertieft in meine Studien, dass ich ihr nur ein Knurren als Antwort widme, wenn überhaupt, und nicht zuhöre. Also will ich ihr keinen Vorwurf machen, ohne meine Erlaubnis verreist zu sein. Es mag durchaus seine Bewandtnis haben.«
»Und welch wichtige Studien sind es, die Euch von den Worten Eurer Schwester abhalten?«
»Ach, Zentgraf, mal diese, mal solche. Momentan bin ich beschäftigt mit einem Horoskop für den Erzbischof von Mainz, Herrn Johann Schweikhard von Kronberg, Ihr kennt Seine Exzellenz? Er bat mich, für seine Schatzkammer nach dem Stein der Weisen zu suchen, wobei ich allerdings seine Geduld strapaziere. Bestimmte optische Instrumente zur Beobachtung des Firmaments ließen sich vielleicht für die Kriegsführung verwenden, was ein weiteres meiner Interessengebiete darstellt. Zentgraf, der Tag besitzt zu wenige Stunden für mich. Von allen Seiten werden Wünsche an
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