Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
mich herangetragen. Wie vielen Würdenträgern müsste ich wider den Kopf stoßen, wenn ich den Ruf nach Prag annähme …«
Noß ballte die Faust und ließ sie auf den Tisch niedersausen, beherrschte sich jedoch sogleich, dass sie nur fest auf der Platte zu liegen kam. »Wegener, reden wir doch nicht drumherum. Ihr wollt mir klarmachen, dass einem Mann wie Euch nichts geschehen kann. Dabei solltet Ihr genau wissen, dass auch die Familien großer Männer nicht vor dem Verderben gefeit sind, auch in Prag. Die Naturwissenschaft bildet doch den Boden der Ketzerei! Nein, Wegener, ich meine nicht die Horoskope für Seine Exzellenz. Ein Horoskop zeigt uns die Wege des Herrn, wie am Himmel so auf Erden, da muss man sich nicht sorgen um sein Seelenheil. Ihr, Wegener, versteht das. Jemand, der nur am Becher der Wissenschaft nippt, kommt jedoch zu dem Schluss, alle Wege Gottes seien nur Illusion, der Mensch könne mit Hilfe der Wissenschaft seine Wunder erklären und schließlich, Gott gleich, Wunder selbst verursachen. Genau dieses Gedankengut ist Dünger auf die Felder des Satans. Ketzerisches Unkraut wächst und gedeiht, er muss es nur ernten. Eure Schwester, Wegener, schoss auf diesem Felde in die Höhe und trug reiche Blüte.«
»Himmelschreiender Blödsinn!« Lukas konnte nicht mehr an sich halten und lachte. »Wissenschaft muss erlernt werden. Schon lange ist es nicht mehr möglich, das gesamte Wissen der Menschheit in einem Band zusammenzufassen, wie man es im letzten Jahrhundert noch versuchte. Jeder muss beginnen, langsam das Wissen in sich aufzunehmen, es fällt nicht wie ein Verhängnis über den Gelehrten herein und verdirbt ihn auch nicht. Die Wissenschaft macht die Wunder Gottes nicht kleiner, nur noch größer. Wenn wir erst begreifen: Wir mögen erforschen, was immer uns beliebt, das Wissen Gottes bleibt unerreicht, dann erst wird uns der Himmel so wunderbar, dass unser Glaube das einzige bleibt, was noch zählt.«
»Eure Schwester sieht das nicht so. Sie vermeint durch diese Beeinflussung, Gottes Werk sei unbedeutend. Warum diesem huldigen, wenn Satan höheren Lohn verspricht? Fragtet Ihr Euch nie, warum sie nie den Wunsch äußerte, einem Manne anzugehören? Mir verriet sie es. Satan wohne ihr bei, wodurch die Bemühungen eines Menschenmannes ihr lächerlich erschienen.«
»Lüge!«, unterbrach Lukas ihn und sprang auf. »Ich verpfände meine Seele darauf, dass meine Schwester niemals so was gesagt hat! Ihr kommt in mein Haus und untersteht Euch nicht, solche Unwahrheiten zu verbreiten? Zentgraf, bitte verlasst mich und gewährt mir die Güte, nicht wiederzukommen.«
Einen Moment lang machte Noß Anstalten, Lukas mit geballten Fäusten über den Tisch hinweg anzugreifen, doch dann ließ er die Arme am Körper entlang fallen, verbeugte sich andeutungsweise und stand auf. Ohne ein weiteres Wort verließ er den Raum.
Lukas ließ sich auf seinen Stuhl sinken und legte eine Hand vor die Stirn. Erst jetzt merkte er, dass seine Haut sich schweißnass und kalt anfühlte. Das Herz raste und kleine Sternchen standen ihm vor Augen. Als es an der Tür klopfte, zuckte er so zusammen, dass er fast vom Stuhl fiel. Gleich ging die Tür auf und er musste sein Gesicht mit Gewalt wegdrehen, um das Mädchen nicht mit seiner angststarren Fratze zu erschrecken.
»Herr«, flüsterte sie schüchtern, »der Herr Zentgraf ist gegangen. Soll ich das Bier …«
»Stell es gleich hierher. Nein, keine Gläser.«
Als die Dienstmagd gegangen war, packte Lukas den Krug mit beiden Händen, um ihn vor Zittern nicht fallenzulassen, und setzte ihn an. Mit zwei großen Zügen schüttete er das Bier in sich hinein und spielte das erste Mal seit Jahren mit dem Gedanken, einige Flaschen seines besten Weins im Laboratorium zu destillieren, um ein Nervenberuhigungstonikum für sich selbst herzustellen. Nein, das tat nicht gut. Er brauchte seine klaren Sinne, um diesem Monstrum zu widerstehen. Wahrscheinlich hatte noch nie jemand dem Zentgrafen die Tür gewiesen, nicht einmal die Ritter um Fulda, die schon alle Wege begangen hatten, ihn loszuwerden. Sein einziger Vorteil war, dass Noß keine offizielle Bestallung hatte und einem Mann von Lukas’ Reputation nicht am Zeug flicken konnte.
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Lukas kam immer mal wieder zu ihnen, und wenn es auch nur für wenige Minuten war. Was er zu berichten wusste, ließ Luzia Gott um ihr Versteck danken. Mehrfach war die Wohnung durchsucht worden, auch das Laboratorium, aber die Drohung von giftigen
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