Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
Luzia?«
»Er versprach mir die Freiheit, wenn ich die Aufgabe erledigte. Als wir zurück waren, eröffnete er mir allerdings, dass gerade dieses der Beweis für meine Hexerei sei und ich unbedingt auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden muss. Er gab mir eine Stunde Bedenkzeit, bevor er mit der Folter das Geständnis erpressen wollte. Die beiden Knechte, die er bei sich hatte, erklärten mir, dass auch nach einem Geständnis die grässlichste Folter auf mich wartet. Nun, ich kenne mich mit Schlössern aus. Ich öffnete die Handschellen, zog die Kleider an, die Zentgraf Noß mir für den Diebstahl gegeben hatte, und spazierte einfach hinaus.«
»Einfach. So, so. Ich hörte, es gab deshalb einige Verwirrung. Nun, niemand kann die Anklage aufrecht erhalten, da du unter Folter nicht gestanden hast. Es gibt keine Beweise außer der Verkleidung. Das ist nicht strafbar. Also ist deine Aussage gültig. Du bist doch bereit, die Probe im Bedarfsfalle zu wiederholen? Allerdings solltest du dich, meiner Meinung nach, nicht vor deiner Aussage sehen lassen. Und … unter Umständen … je nach Ausgang auch hinterher nicht. Wie auch immer, ich werde dich nicht erwähnen, bevor es notwendig wird. So. Nun. Also er ließ das Dokument höchstselbst stehlen und basierte die Anklage darauf. Nur - warum Jungfer Magdalene? Sie war vor einem Jahr angeklagt und die Anklage wurde zurückgezogen. Das passiert häufig. Wenn jeder Inquisitor so penetrant wäre, gäb’s keine Probleme mehr mit Weibern, weil’s keine Weiber mehr gäbe. Es passiert durchaus, dass eine Angeklagte den Prozess als unschuldig verlässt oder mit einer geringen Strafe. Was macht Eure Schwester so auffallend, Herr Doktor Wegener?«
Darauf wusste Luzia die Antwort. Sie erzählte die Episode, die mit der Auspeitschung des Jungen Balthasar endete. Lukas kannte sie, das sah sie seinem Gesicht an, und sie hatte anscheinend auch den rechten Ton getroffen, weil der Advokat verstehend nickte. »So also. Und die Dominikaner lehrten ihn, dass nicht er Schuld trägt, sondern die Frau, von der er sich wohl schon damals verraten fühlte. Nun, könnte es sein, dass er Eurer Schwester gegenüber noch … andere … Gefühle hegt?«
Luzia kam Lukas zuvor. »Allerdings kann man das sagen. Wenn Ihr mich fragt, sieht es folgendermaßen aus: Er ist verrückt vor Liebe. Das war er schon als pickeliger Junge und das änderte sich nicht als Zentgraf.«
»Verliebt. Ein Inquisitor. Jungfer Luzia …«
»Sie trafen sich wieder. Er war Lehrmeister bei einem Seminar, kurz bevor er die Gelübde ablegen wollte. Zuerst, vor den versammelten Schülerinnen konnte er sich beherrschen, aber dann sprach Jungfer Magdalene ihn an und teilte ihm ihr Bedauern über die Vorfälle ihrer Kindheit mit. Aus einer Laune gab sie ihm das Medaillon seiner Mutter zurück. Er verabredete heimlich ein Stelldichein. Sie vertraute gutgläubig seinem geistlichen Gewand. Er ging davon aus, dass sie das Medaillon die ganze Zeit über aus Liebe zu ihm getragen hatte, und legte ihr sein Herz zu Füßen, wollte alles für sie aufgeben. Als sie nicht jubilierte, wurde die Szene … schmutzig. Lukas, verzeiht mir. Magdalene würde das keinesfalls erzählen und ich erfuhr es nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Herr Doktor Patrizius ist ihr Rechtsbeistand und muss die Wahrheit kennen. Er muss alles über die Verkommenheit dieses Mannes wissen, dem die Obrigkeit vertraut und dem sie das Leben unschuldiger Frauen in die Hand gibt. An diesem Abend fiel er über Magdalene her und er verging sich viehisch an ihr. Das ist der Grund, warum sie niemals heiraten wollte, denn solche Tortur nochmals zu erleben, den Gedanken konnte sie nicht ertragen.«
Lukas riss die Hände vor die Augen. »Das Seminar! Die Tante schickte sie dorthin und wollte sie anschließend einem Freier vorstellen, dem Sohn einer Freundin. Magdalene kam völlig verstört aus dem Kloster und verweigerte ab da jede Männerbekanntschaft. Ich belauschte Gespräche ihrer Freundinnen über den Inhalt des Unterrichts. Sie schwatzten lang über die Vorlesung eines Dominikaners und besonders über das von ihm empfohlene Dornenband. Ich fand in ihren Unterrichtsheften die Abbildung und weil ich selbst es so widerlich finde, führte ich Magdalenes Abscheu darauf zurück. Wenn öffentlich so was propagiert wird, was mag er den Mädchen im Geheimen erzählt haben! Das muss ja jeder Frau Angst vor der Ehe machen! Aber so was! Gütiger Heiland, warum hat sie das nie
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