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Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)

Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)

Titel: Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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erzählt!«
    »Na warum wohl.« Doktor Patrizius machte sich fleißig Notizen. »Erstens hätte niemand ihr geglaubt, zweitens wäre ihr Leumund dahin, drittens ist ein Dominikaner stets von jeder Schuld frei. Nur warum war er nicht froh, seine Untat so verschleiert zu sehen? Warum riss er alte Wunden auf? Es gab, sehe ich in meinen Unterlagen, nur eine Mitteilung über Jungfer Magdalene. In der Regel, so es sich nicht um schwerwiegende Indizien handelt, geht die Inquisition frühestens dem dritten Hinweis nach. Mir scheint, er wartete nur darauf.«
    »Er bestrafte sich für seine Untat. In seinen Augen ist es nicht fehlgeleitete Liebe, die ihn zu ihr trieb, sondern durch teuflische Machenschaften hervorgerufene Wollust. Er tut alles, sie aus seinem Körper zu treiben, aber es gelingt ihm nicht. Darum muss er die Quelle dieser Wollust vernichten. Das ist Magdalene Wegener.«
    »Wie, Jungfer Luzia, begründest du deine Meinung?«
    »Durch das, was er Magdalene nach ihrer ersten Festnahme sagte: Er müsse sie bestrafen. Während er das tat, überfiel ihn erneut die Wollust und er gab ihr nach. Er tat seiner Gefangenen, seiner Schutzbefohlenen erneut Gewalt an. Und dann bestrafte er sich selbst grausam vor ihren Augen dafür. Er bestraft sich jeden Tag durch Selbstgeißelung, aber dieses Mal war es extrem. Er verstümmelte seine Männlichkeit! Herr Professor, diese Mann ist aberwitzig, hochgradig irre. Wer so was mit sich selbst macht, den muss man zu seiner eigenen Sicherheit und der Sicherheit der Welt wegsperren und in Ketten legen! Es darf nicht sein, dass ein solcher Mann frei herumläuft und über das Schicksal von Frauen und Kindern bestimmt.«
    »Wunderbar. Das werde ich mir für mein Plädoyer merken. Das gefällt mir. Er will sie bestrafen dafür, dass sie ihn erregt und er seine Gelübde bricht. Er will sie vernichten, damit sie ihn nicht mehr in Versuchung führen kann. So konstruierte er Beweise für eine erneute Anklage, um seine finsteren Pläne zu vollenden. Was geschah dieses Mal mit ihr?«
    »Dasselbe. Wieder gab er seiner Wollust nach, wieder bestrafte er sie und sich selbst dafür. Und wieder rettete sie die Courage ihres Bruders vor noch schlimmerer Folter und Verstümmelung. Er sagte ganz genau, was er vorhat: Er will ihre Weiblichkeit zerstören und gab seinen Knechten genaue Anweisungen dafür. Wäre die Folterkammer schon fertig eingerichtet, hätte Herr Doktor Wegener nur noch einen sterbenden Krüppel vorgefunden. Auch so trieb dieses Ungeheuer sie halb in den Wahnsinn und sie wird Monate brauchen, sich zu erholen.«
    Der Anwalt legte die Feder beiseite und starrte auf seine Notizen. »Ich sah mutmaßliche Hexen, die nicht gestehen wollten. Die Prozedur ist mir bekannt, Jungfer. Ein Anwalt darf beantragen, einem peinlichen Verhör beizuwohnen. Das ist alles genau geregelt von Dauer und Intensität, genaue Richtlinien. Die gelten nicht für Ausnahmeverbrechen wie die Hexerei. Da ist dem Inquisitor nahezu alles erlaubt. In einem Hexenprozess hat schon so manchen jungen Anwalt die Courage verlassen, sodass er nie wieder ein Gericht von innen sehen wollte. Die Inquisition rechtfertigt es damit, dass eine Frau durch ihre minderwertige körperliche Ausstattung weniger schmerzempfindlich sei als ein Mann und daher härtere Folter brauche, die auch ihre minderen geistigen Fähigkeiten überwindet. Wenn man mich fragt« - sein Blick zuckte zu Luzia hoch - »auch ein Schwein würde Hexerei gestehen bei dem, was man dort treibt.«
    Niemand erwiderte etwas darauf, bis Trine und ein anderes Mädchen mit Wein und Gläsern kamen. Nachdem sie serviert hatten und wieder verschwanden, räusperte Doktor Patrizius sich. »Am besten sage ich gleich frei heraus, dass die Aussichten auf Erfolg bei einer Verfahrensbeschwerde gleich null sind. Es ist unmöglich, einem Inquisitor am Zeug zu flicken.«
    Lukas starrte ihn mit offenem Mund an. »Aber …«
    »Herr Doktor Wegener, ich rate Euch, Eure Schwester ins Ausland zu schaffen. Wenn Ihr die Kosten nicht scheut, dann auch Jungfer Luzia. Wir haben ein ausgeklügeltes Rechtssystem, in dem Instanzen objektiv Schuld und Unschuld voneinander unterscheiden und mehrere Grade dazwischen zulassen. Strafen sind solcherlei gestaltet, dass ehrliche Individuen von unehrlichen unmissverständlich getrennt werden und die Ordnung aufrecht erhalten ist. Dafür sind Obrigkeit und Kirche in der Verantwortung. Soweit stehe ich voll hinter unserem Rechtssystem. Das Inquisitionsverfahren

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