Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
es mit einem großen Brot vergleicht, mehr Geld dafür, zwar nur wenige Kreuzer, aber die Menge macht’s. Jeden Tag wenige Kreuzer mehr machen den Unterschied zwischen Hungerlohn und Wohlstand. Wir können es uns leisten, all unsere Kinder zur Schule zu schicken!«
»Sind immerhin zwölf«, ergänzte Trine in einer Atempause.
»Zwölf wohlgeratene Engel. Selbst das Kleinste knetet schon Teig und formt Brote, seht ihr?« Dabei deutete Theresa auf das halbnackte Mädchen, dem sie vorhin die Nase geputzt hatte. Nach produktiver Arbeit sah es nicht aus, denn sie formte Püppchen aus dem Teig, aber jeder lobte sie dafür und der Lehrjunge steckte ihr wohlwollend eine Erdbeere in den Mund.
Ganz das Gegenteil seines Eheweibes kam Gerhard herein, groß, hager, mit säuerlichem Gesicht. Ohne Worte wies er auf den Laden, in dem sich die Kundschaft drängte und ein dralles Mädchen Brote herausgab. Sofort sprang Theresa ihr zur Seite und zählte die erhaltenen Münzen in eine Schatulle. Als Luzia sich umdrehte, war Gerhard schon verschwunden. Aus dem Hintergrund hörte man das Schaben des Brotschiebers. Der Duft aus dem Ofen ließ Luzias Magen knurren. Wie auf das Stichwort brachte ein Knabe, der gerade über den Tischrand schauen konnte, in ein Tuch eingehülltes, dampfendes Brot. Trine strich ihm über den Kopf und brach den kleinen Laib mit Hilfe des Tuchs in zwei Hälften. Dampfschwaden und köstliches Aroma quollen daraus hervor. Luzia lief das Wasser im Mund zusammen. Theresa hatte recht, das war genau die Portion, die ein Mann für eine Mahlzeit essen würde. Und das Brot schmeckte so gut, dass sicher niemand, der sich daran gewöhnt hatte, noch einen anderen Bäcker suchte.
Völlig gesättigt von Brot und Buttermilch machte sich jetzt eine angenehme Müdigkeit in Luzia breit. Ihr Blick fiel auf den alten Mann, den Vater Gerhards, wie sie jetzt wusste, der auf seiner Ofenbank eingeschlafen war und mit zahnlosem Mund schnarchte. Das wünschte sie sich auch.
Dass ihr für einen Augenblick die Augen zugefallen waren, merkte sie erst, als Theresa plappernd eine Frau mittleren Alters hereinschob. Deutlich sah man ihr an, dass sie anderes vorhatte, weil ihr Blick ständig nach hinten schweifte. »Da sitzt sie, mit der musst du sprechen, Frieda. Niemand mag hören, was du erlebt hast, nur Luzia will es unbedingt wissen. Erzähle ihr jede Einzelheit. Weiß der liebe Jesus, was sie mit den alten Kamellen will, aber wenn meine kleine Schwester Trine mich darum bittet, werde ich ihr diesen Wunsch erfüllen und euch beide zusammenführen. Da, nimm, Buttermilch und Brot. Gerhard ist nicht immer so großzügig.«
»Du hast mir nichts gesagt …«, begann Luzia an Trine gewandt, aber die winkte ab.
»Ich wusste ja nicht, ob Frieda überhaupt noch hier wohnt. Hätte ja sein können, dass sie Hals über Kopf die Flucht ergreift.«
Die Frau hatte sich nicht lange bitten lassen und bei Theresas Angebot zugefasst. Sie trank mit großen Schlucken aus dem hölzernen Becher, wischte den Mund mit ihrer Schürze und stopfte sich das frische Brot zwischen die Zähne. »Warum sollte ich das?«, fragte sie mit vollem Mund.
»Weil’s um den Zentgraf Noß geht«, meinte Trine mit breitem Grinsen und freute sich augenscheinlich, dass der anderen der Brocken im Halse steckenbleiben wollte. Die Frau wurde totenblass und ihre Kaubewegungen hielten an. Nach einem Blick, bei dem ihr schier die Augen aus dem Kopf quollen, bewegte sie langsam wieder ihre Kiefer und schluckte dann hörbar.
»Zentgraf Noß?«, flüsterte sie, als das Brot endlich unten war.
»Ja, hast denn nicht gewusst, dass er nach Mainz kam?«, fragte Trine mit einem bösartigen Zug um den Mund.
Frieda schüttelte nur stumm den Kopf.
»Er ist ja schon wieder weg«, beruhigte Luzia sie und registrierte das deutliche Aufatmen der Frau. »Du kennst ihn also?«
Das angebissene Brot legte Frieda zur Seite, aber aus dem Becher nahm sie noch einen kräftigen Schluck. »Wenn ich den nicht kenne! Besser wohl als andere.«
»Frieda lebte früher in Fulda«, warf Theresa ein, bevor sie sich wieder um Kundschaft im Laden kümmerte.
Das war gut möglich, wie Luzia aus dem breitflächigen Gesicht der Frau herauslas. Ja, genau so hatte sie Bauersfrauen dort kennengelernt. Frieda besaß keine Anmut, aber ihre reine Haut und die schwarzen Locken, die unter ihrem Tuch hervorschauten, machten sie nicht unattraktiv. Wenn man den Bauersfrauen dort etwas nachsagen konnte, dann, dass sie nach
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