Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
vorne zu freundlich waren und hintenherum nachredeten. Innerlich wappnete sie sich, nicht alles zu glauben, was ihr jetzt aufgetischt wurde. Aber es mussten nicht alle so sein.
»Sprich, woher kennst du ihn?«, fragte sie.
Frieda schnaubte. »Woher wohl? Ins Dorf kam er, um Hexen zu jagen. Nie hätte jemand auch nur an eine Hexe gedacht, bis er herankutschierte und überall Teufelsübel sah. Als erste verdächtigte er die Witwe des Schmieds, die Eigentümerin der Schmiede, die gute Pacht dafür vom Gesellen verlangte. Ein prächtiges Geschäft für den Gesellen, denn Noß bewirkte, dass die Schmiede fortan ihm gehörte, wenn er nur gegen seine Herrin aussagte. Und was er sich alles ausdachte! Zu Lebzeiten seines Meisters schon habe sie Pferde besprochen, dass sie ihre Eisen verloren und neu vom Meister beschlagen werden mussten. Dann hexte sie ihnen den Rotz herbei, wenn der Besitzer nicht gleich bezahlte. Und ihren Mann habe sie vergiftet mit Auswurf des Satans. Ha! Dabei war er ein halbes Jahr vorher an der Pest eingegangen. Wenn jemand die Pest hatte, dann der: Beulen groß wie Hundeköpfe am ganzen Körper, eitrig aufgeplatzt, und die Finger schwarz wie Kohlen. Geizig war sie, jeder wusste es, aber wenn jemand nicht gleich zahlen konnte, nahm sie auch eine Anzahlung und wartete bis zur nächsten Ernte. Niemand wäre ihr den Preis schuldig geblieben, weil wir ja nur einen Schmied hatten. Und einen guten noch dazu.«
»Niemand glaubte also die Anschuldigungen?«
»Nur Noß glaubte es. Im Rathauskeller ließ er sie aufziehen, bis sie alles gestand. Doch damit nicht genug, sie musste gestehen, mit dem Teufel Unzucht getrieben zu haben. Nackt ausziehen ließ er sie und auf dem Marktplatz in allen Einzelheiten schildern, wie das geschah. Unmögliche Dinge berichtete sie. Wenn sie schwieg, bekam sie die Peitsche, bis ihr noch was einfiel. Vor allen fragte er sie schließlich, wer bei den wilden Orgien mit dem Teufel im Wald dabei gewesen sei. Die Peitsche hielt erst still, als sie zwanzig genannt hatte.«
Fassungslos schüttelte Luzia den Kopf. »Aber wer kann denn so was für bare Münze nehmen?«
»Niemand von denen, auf die sie gezeigt hatte. Nach der Rede von Noß aber alle anderen. Er redete so vom Bösen und den minderwertigen Frauen, dass manche ins Grübeln kamen, besonders die Kerle, die sich sowieso himmelhoch überlegen fühlten. Nur wenige lachten und gingen fort. Einen Tag später saßen sie zusammen mit den Beschuldigten im Rathauskeller im Loch. Andere wurden nachdenklich und suchten das Weite.«
»Zu denen gehörtest du?«
»Mich rief sie nicht auf. Mein Mann hatte einen Hof ein Stück weiter draußen beackert, Gott hab ihn selig. Auch ihn hatte die Pest geholt, genau wie meine drei Kinder und den Knecht. Weil ich so allein dort draußen nicht zurechtkam, war ich zu meiner Schwester ins Dorf gezogen und kannte noch gar nicht alle. Nur dass es sich bei den Angeklagten um reiche Frauen handelte, das wusste ich. Bettelarmer Flüchtling wie ich war, hielt ich mich raus. Weil der Gastwirt zu wenige Betten für den Tross des Zentgrafen besaß, schliefen seine Knechte in Bürgerhäusern, so auch einer bei meiner Schwester im Haus. Sie behandelte ihn ehrerbietig, viel besser, als er es verdient hätte, also dachte sie, nicht in Gefahr zu sein.«
»Und die Witwe des Schmieds?«, wollte Trine wissen.
»Verbrannt wurde sie. Gleich die nächste Woche, als alle, die sie genannt hatte, schon eingekerkert waren. Wie die Heringe im Fass steckten sie in den Verschlägen. Hundekäfige ließ der feine Herr vom Jäger herbeitragen, um die Frauen hineinzupferchen. Im Keller gab’s nur eine einzige Zelle, und auch in der steckte an normalen Tagen nie jemand, höchstens mal ein Halbwüchsiger, der betrunken über die Stränge schlug. Nach ein paar Stockhieben ließ man den immer laufen. Der Schultheiß flehte den Richter an, doch die Menschen aus dem Loch herauszulassen. Er tat es. Jede Woche verbrannte er einen.«
»Oh mein Gott! Alle zwanzig?«
»Acht. Acht ehrbare Frauen. Sie alle standen nackt auf dem Marktplatz und fabulierten die größten Lügengeschichten. Die anderen ließ er frei. Vormals stolze Damen kamen heraus wie die alten Weiber, ohne Haare, ohne Zähne, strotzend vor Dreck, hinkend, manche wurden herausgetragen. Viele hatten zerbrochene Glieder, schwärende Brandwunden. Das Grauen erfasste uns alle, als wir sahen, was da passierte.«
Sie schwieg eine Weile und drehte dabei ihren Becher in der
Weitere Kostenlose Bücher