Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
Professor. Nur fällt mir beim besten Willen kein Heilmittel ein gegen diese Krankheit. Man muss ihn wegsperren auf ewig. Wenn wir ihn töten, sind wir auch nicht besser als er selbst.«
»Nein, nein. Soll er bestraft werden, wie es sich gehört, und dann Gott überantwortet. Ich habe da eine andere Auffassung vom Tod. Für mich ist der Tod keine Strafe, es kann einen jederzeit der Tod ereilen. Wir machen es uns doch nur unnötig schwer, wenn wir das als Strafe sehen. Darum ist es auch nicht bemerkenswert, wenn wir uns hochkrimineller Elemente endgültig entledigen.«
»Das ist Eure Auffassung. Mag schon sein, dass der Tod keine Strafe, sondern unvermeidbar und - na ja - das Ende des Lebens ist, nicht mehr. Aber muss er denn so grausam sein!«
»Das ist er doch gar nicht, Jungfer! Die Öffentlichkeit sieht doch nur, was sie sehen will. Nehmen wir zum Beispiel den Prozess des Ausweidens. Daran, dass du blass wirst, sehe ich, dass du dem noch nie beigewohnt hast. Mit dem ersten Schnitt durchtrennt der Henker ein Nervengeflecht im Bauchraum, damit der Delinquent sofort in einen Zustand der tiefen Starre fällt. Alles Weitere fühlt er überhaupt nicht mehr. Das ist nur der Körper, der die Augen aufreißt, gurgelt und zuckt. Die Angehörigen der Opfer sind zufrieden, der Pöbel jubelt, dass den Bösewicht die gerechte Strafe ereilte. Vielleicht sogar, obwohl ich das persönlich nicht glaube, überlegt sich der eine oder andere Kriminelle, ob er nicht besser einen anderen Weg einschlägt.«
»Es ist und bleibt barbarisch. Genauso wie die Folter.«
»So sehr ich gegen die Folter der Inquisition bin, so muss ich doch gestehen, dass im gewöhnlichen Strafprozess durchaus sinnvoll von ihr Gebrauch gemacht wird. Da geht es nämlich nicht um ein Geständnis, sondern um den Modus operandi. Der Inquisit muss erzählen, wie er ein Verbrechen beging und warum. So hat die Folter manchmal auch ein Gutes, wenn nämlich der Ermittler feststellt, dass die Tat so wie geschildert überhaupt nicht geschehen konnte. So wurde schon mancher einer Tat Beschuldigte reingewaschen. Es gibt ja die erstaunlichsten Gründe, eine Tat einzugestehen, obwohl man unschuldig ist. Da mag sein das Gefühl der Schuld, weil man es nicht verhindert hat, oder der Wunsch, einen nahen Angehörigen zu entlasten oder zu schützen. Manches Opfer konnte gerettet werden, weil der Entführer unter der Folter gestand, wo er es verbarg. Wie soll es denn sonst sein? Geht ein Räuber für ein paar Jahre ins Gefängnis, kommt frohgemut frei und verprasst dann den Raub, der solange gut versteckt war? Nein, so was gibt es nicht. Wenn die Beute trotz Folter nicht herausgegeben wird, erwartet ihn automatisch der Tod. Niemand soll einen Vorteil aus einem Verbrechen ziehen.«
Luzia fiel nicht viel als Entgegnung ein und mit dem wenigen hätte sie nur als trotzig und besserwisserisch dagestanden, also hielt sie den Mund. Dadurch geriet aber das Gespräch ins Stocken. Nach einer Weile seufzte Magdalene. »Nennt mich närrisch, aber ich muss immer an den armen Balthasar denken.«
Lukas richtete sich auf. »Er wird seine gerechte Strafe erhalten!«
»Ja, ja«, wiegelte Magdalene ab. »Zentgraf Noß erhält seine gerechte Strafe. Wir waren nicht ehrenhaft, aber weil er sich hinter seinem Amt versteckte und im schlimmsten Grade betrog, muss niemand von uns sich ein Gewissen daraus machen, dass auch wir nicht fair waren. Das meine ich gar nicht. Ich meine den kleinen Jungen, der wegen einer Kinderei so grausam bestraft wurde, dass er darüber dem Wahnsinn verfiel. Herr Doktor Patrizius, ich glaube, das ist es, was Luzia meint. Die Strafe war einfach zu bestialisch. Damit wurde sein gesamtes Leben zerstört.«
»Magdalene, er hat dein Leben zerstört«, sagte Luzia. »Ohne seine Grausamkeit wärest du jetzt die glückliche Gattin vielleicht deines Grafensohnes, hättest drei Söhne und sähest dein Glück darin, dich um sie zu kümmern. Wie stellst du dir denn jetzt deine Zukunft vor? Willst du den Rest deines Lebens dafür sorgen, dass deinem Bruder morgens frische Hemden hingelegt werden?«
»Sag alte Jungfer zu mir, aber für mich ist der Gedanke nicht erschreckend. Wenn ich mich nur seiner wissenschaftlichen Arbeit widmen darf, will ich auch gerne auf das zweifelhafte Vergnügen einer Ehe verzichten. Herr Doktor Patrizius, diesen Widerstand will ich mir mal ansehen. Wer weiß, vielleicht finde ich Gleichgesinnte und widme diesem Ziel mein Leben. Dabei, Luzia, wäre eine
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