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Die Hexe soll brennen

Die Hexe soll brennen

Titel: Die Hexe soll brennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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Franz war nach draußen gegangen und kam jetzt mit dem Sack zurück, der am Sattel des Maultiers gehangen hatte. »Kniet nieder!« befahl der Pater. Er drückte Katharina dort zu Boden, wo sie stand, zeigte auf die übrigen Familienmitglieder und ordnete an: »Ihr dort hinten.«
    Gebeugt kauerten sie auf dem Boden, Fleisch auf harten Dielenbrettern, die Köpfe geneigt, als sollten ihnen Schwerter in die Nacken fallen. Auch Kaspar Michel und der Pfarrknecht knieten, ebenso der Pfarrer selbst. Aufrecht standen allein noch die beiden Kapuziner. Der Frater hatte dem Pfarrknecht den Weihwasserkessel aus den Händen genommen, hielt ihn nun zusammen mit dem Sack bereit.
    »In nomine domini«, wiederholte der Pater und griff nach dem Weihwasserwedel. Naß spritzte es in Katharinas Gesicht, auf die dünnen Muskelstränge ihres gebeugten Nackens. Sie zuckte nicht, verhielt sich regungslos. Aber eine atemlose Spannung stand plötzlich in der Kate. Selbst von den Kleintieren nebenan im angebauten Stall hörte man kein Geräusch.
    Und dann fordernd, kämpferisch die Stimme des Paters: »Unheiliger Geist! Wenn du von diesem Kind Besitz ergriffen hast, so melde dich! Du bist beschworen im Namen Jesu Christi. Du bist beschworen im Namen der Dreifaltigkeit. Du bist beschworen im Namen der alleinigen heiligen Kirche.«
    Er schwang den Weihwasserwedel wie eine Waffe gegen Katharina, doch das Mädchen blieb stumm.
    »Halsstarrig«, flüsterte hingegen der Frater. »Der Teufel sitzt tiefer, als wir gedacht haben. Die scharfen Waffen der Benediction, Herr?«
    »Wir wollen zunächst beten«, versetzte der Pater und begann eine lateinische Litanei zu murmeln. Widerwillig, offensichtlich gereizt wegen dieser zu großen Milde, fiel der Frater ein. Michel und der Knecht blieben stumm, bewegten lediglich die Lippen.
    Katharina ließ die Sentenzen auf sich herniederdonnern, bewegte sich nicht, zuckte nicht, schien auch ihre Angehörigen vergessen zu haben, die verängstigt im Hintergrund kauerten. Als der Pater die Schlußhebung eines Verses sang, begann das kleinste Kind zu greinen. Dieser Mißton, mitten ins Gregorianische gesetzt, ließ den Pater abbrechen. »Den Weihrauch!« befahl er dem anderen Kapuziner.
    Als der Frater die harzigen Kügelchen auf der Bronzepfanne anbrannte, die er aus dem Sack genommen hatte, als der Rauch zäh zu quellen begann, hustete Katharina, würgte gleich darauf krampfhaft.
    Fast alle in diesen armseligen Dörfern haben es an der Lunge, dachte mitleidig der Pfleger von Pfatter. Aber er schwieg.
    Statt dessen frohlockte der Frater: »Jetzt rührt sich der Teufel! Macht zu, Herr! Packt ihn! Greift ihn! Zerrt ihn heraus aus der Weibergrube!« Er schwang den Rauchkessel so heftig, daß er im Nu die ganze Stube vernebelte. Das Kind im Hintergrund plärrte noch lauter, auch die alte Grueberin wurde von einem Hustenanfall geschüttelt.
    Katharina rang nach Luft, vor ihr tanzte der Rauchkessel. Der Pater ergriff sie am Oberarm. Speichelsprühend ließ er lateinische Lautfolgen auf sie herabprasseln; das Mädchen hing in seinem Griff wie ein kleines Tier, schrie dann plötzlich lauthals um Hilfe: »Vater, er reißt mir den Arm ab!«
    »Laß den bösen Geist aus dir fahren!« fauchte der Pater, und der andere Kapuziner ließ den Rauchkessel gegen den Kopf des Mädchens stoßen, daß die Ketten klirrten. »Teufelsbrut. Teufelsgeist. Ans Licht mit dir!« schrillte er.
    »Hilfe!« flehte Katharina, von einem neuen Hustenanfall geschüttelt.
    Da sprang ihr Vater vor. Plötzlich war Johann Grueber kein Feigling mehr. Er ging auf den Pater los und riß ihn von seiner Tochter zurück. »Was wollt's denn hier bei uns? Warum quält's uns und das Dirndl?« herrschte er den Mönch an. »Hat euch keiner eingeladen, zu uns in die Stube zu kommen.« Er brach die Hand des Paters auf, löste die gelblichen Finger von Katharinas Arm. Das Mädchen rappelte sich auf und wich in die Stubenecke zurück.
    »Laß mich! Auf der Stelle!« ächzte der Pater, außer sich über die Ungeheuerlichkeit, die sich der Häusler geleistet hatte. Selbst der Dorfpfarrer tobte. »Michel, bringt ihn zur Raison, und wenn's mit der nackten Klinge ist!« rief er dem Pfleger zu.
    Der zögerte, trat zwar einige Schritte vor, aber der Degen blieb in der Scheide.
    Frater Franz hatte den alten Grueber am Kittel gepackt. »Teufelssau!« schrie er ihn spuckend an. »Bist auch im Bund mit dem Bösen. Fast war der Schweinsgeist schon im hellen Licht, da hast' eingreifen

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