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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Merwais. »Ein plötzlicher Einbruch. Vier unserer tapferen Wasserträger hatten keine Gelegenheit mehr, sich zu retten. Jeder hier weiß, wie stark die Gefährlichkeit dieser Arbeit zunimmt. Gar nicht mehr einfach, noch halbwegs tüchtige Männer dafür zu bekommen.«
    Himlin Walter nickte beiläufig, ließ sich aber keineswegs in seiner Aufmerksamkeit beeinträchtigen. Die Förderanlagen der Zeche schienen ihn ebenso zu interessieren wie die Röstund Reduktionsarbeiten, zu denen er anschließend geführt wurde. Wieder sprach er lange mit dem Vorarbeiter, ließ sich alle Unterlagen zeigen und machte eifrigst Notizen in ein kleines Buch. Richtig aufzuleben schien er aber erst, als Merwais ihn zur Silberhütte begleitete, wo Antonio de Caballis als Münzintendant und offizieller Vertreter des Herzogs bereits ungeduldig auf die beiden wartete.
    »Endlich der Ort des Geschehens!«, murmelte Walter und fletschte dabei seine gelblichen Zähne. »Denn das Resultat ist es doch, worauf es letztlich ankommt.«
    Eine kurze, fast frostige Begrüßung.
    Der Inspektor aus Augsburg schien überall mit potenziellen Feinden zu rechnen, allerdings war es nahe den riesigen Kesseln so glühend heiß, dass bald allen der Schweiß auf der Stirn stand und sie sich ähnlich wie die Silberarbeiter, die mit nacktem Oberkörper schufteten, ihrer Schecken entledigen mussten, was die Situation leicht entspannte.
    Johannes Merwais hatte den zeitlichen Ablauf so exakt wie möglich geplant. Als die überstehende, bleihaltige Glätte im Kessel mittels langer Haken entfernt worden war, worauf plötzlich die letzte dünne Schicht aufriss und den Blick auf die gleißend helle Silberschmelze freigab, stieß de Caballis einen Schrei aus.
    »Verzeiht meine Unbeherrschtheit!«, sagte er, an Walter gewandt. »Aber sooft man den Silberblick auch schon gesehen hat, so sehr fasziniert er einen doch immer wieder.«
    Offenbar hatte er mit diesem Gefühlsausbruch bei dem trockenen Inspektor Sympathie gewinnen können.
    »Die Schätze der Erde sind ein Geschenk des Allmächtigen«, sagte Walter. »Aus diesem Grund sollten wir ihnen auch ein Höchstmaß an Ehrfurcht erweisen.«
    Er bat um einen ruhigen Raum, in den er sich für seine weiteren Berechnungen zurückziehen könne, und schien angenehm berührt, als man ihm neben dem Gewünschten im Haus des Verwalters auch noch Brot, Wildschweinschinken und ein Seidel Bier servierte.
    Nach längerer Zeit kam er wieder zu den anderen.
    »Alles gut und schön«, sagte er und blätterte in seinen Aufzeichnungen. »Aber was Ihr mir bislang vorgeführt habt, erklärt noch immer nicht überzeugend, weshalb die erzeugte Silbermenge in den letzten Monaten derart hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben ist.«
    »Das liegt vor allem am Wasser«, warf Merwais ein. »Ein wesentlicher Punkt, der uns, wie ich stark befürchte, zukünftig noch mehr zu schaffen machen wird.«
    Walter zog die feinen hellblonden Brauen hoch.
    »Je tiefer wir gelangen, desto feuchter wird es, was die Ausbeute an geschlagenem Erz erheblich vermindert. Ein Problem übrigens, das nicht nur hier bei uns in Tirol auftritt. In den Silberminen des Erzgebirges haben sie schon um einiges länger damit zu kämpfen. Deshalb möchte ich Euch gern mit einem Fachmann bekannt machen, den Ihr weiter befragen könnt. Darf ich vorstellen? Magister Gaudenz Stein aus Annaberg.«
    Der kleine, rundliche Sachse, noch außer Atem, nachdem er die Treppen heraufgestapft war, musste ein ordentliches Stück zu dem baumlangen Augsburger aufschauen, was seinem Selbstbewusstsein freilich keinen Abbruch tat. Ebenso eloquent wie ausschweifend beschrieb er den unablässigen Kampf gegen das Grubenwasser, was den Einsatz zusätzlicher Arbeitskräfte notwendig mache und die Kosten daher erheblich erhöhe. Er hatte sogar mehrere Zeichnungen mitgebracht, die er auf einem Tisch entrollte und in seiner weichen sächsischen Mundart, in der alle Konsonanten abgeschliffen wurden, detailliert kommentierte.
    »Keiner hält diese Arbeit lange durch«, sagte er, während seine Hände die Pergamente zärtlich streichelten. »Nicht einmal den Kräftigsten gelingt das. Über kurz oder lang sterben alle an Schwindsucht oder Auszehrung, was großes Leid über die Familien bringt. Andere kommen auf der Stelle um, wenn Grubenwasser ohne Vorwarnung in den Stollen strömt.«
    »Ich weiß«, knurrte Himlin Walter, inzwischen beteiligter, als ihm lieb sein konnte. »Hab die Särge erst vorhin

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