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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Tränen von der Wange. »Sie klang beinahe wie die Ziegen, wenn man ihnen im Frühling ihre Kleinen wegnimmt.«
    Jetzt wurde Lena noch schwerer ums Herz. Sollte sie nicht sofort zu Barbara laufen, die schon so vielen Frauen beim Kinderkriegen geholfen hatte? Oder eher zu Wilbeth, die so gut wie jedes Kraut auf dieser Welt kannte, das Hilfe versprach?
    Doch Lena waren die Hände gebunden. Katharina war keine einfache Frau, sondern die Herzogin des Landes, und da galten nun einmal, wie van Halen Lena beigebracht hatte, ganz andere Regeln.

     
    Jetzt, tief im Schlaf, hatte Katharinas Gesicht seine pralle Rundlichkeit gänzlich verloren und wirkte auf einmal fast durchsichtig. Die dünnen Lider zuckten unruhig, obwohl van Halen versichert hatte, dass sie nicht vor dem Morgengrauen erwachen würde. Der Herzog war nach seinem Jagdausflug sofort an ihr Bett geeilt, hatte sie unter Tränen umarmt und ihr versichert, dass alles gut werde und sie noch viele, viele Male schwanger werden könne. Katharina aber war durch nichts zu beruhigen gewesen und hatte so verzweifelt geschluchzt, dass der Medicus schließlich zu seinem stärksten Beruhigungsmittel greifen musste. Sogar Fee hatte er trotz aller Proteste Katharinas entfernen lassen, damit diese auch wirklich ganz zur Ruhe kommen konnte.
    Als der Herzog endlich ihr Gemach verließ, schien er um Jahre gealtert. Er zog sein linkes Bein nach wie beim allerschlimmsten Podagraanfall und ging so gebückt, als zähle er nicht siebenundfünfzig, sondern mehr als siebzig Jahre.
    Cornelius van Halen hatte Nachtwachen für die unruhig Schlummernde eingeteilt mit der strikten Vorgabe, ihn auch beim allerkleinsten Zwischenfall unverzüglich aus dem Bett zu holen. Die erste hatte Hofdame Babette freiwillig übernommen, sie sollte später von Lise abgelöst werden.
    Die Gelegenheit, auf die Alma von Spiess nur gewartet hatte. Sehr leise betrat sie das Gemach und umfasste mit einem raschen Blick die leise röchelnde Herzogin sowie das junge Mädchen, das neben dem Bett erschöpft in seinem Stuhl zusammengesunken war. Dann glitten ihre Augen zu dem Tischchen mit den gedrechselten Beinen, auf dem der Brief der Herzogin an ihren Vater im fernen Sachsen lag, signiert und bereits mit dem großen erzherzoglichen Siegel versehen, nun freilich von den Ereignissen überholt.
    Doch das war es nicht, wonach die Hofmeisterin Ausschau hielt. Schon als der Herzog früher in heißer Brunft ihre Kitzchen gekost hatte, war es seine Angewohnheit gewesen, überall kleine Fläschchen mit seiner Medizin aus dem starken Gift der Herbstzeitlosen zu deponieren, falls ihn unerwartet eine Gichtattacke heimsuchen sollte. Männer wie er behielten ihre Marotten bei, auch wenn sie die Geliebte wechselten, das wusste Alma von Spiess. Also musste auch hier im Gemach irgendwo ein Fläschchen zu entdecken sein. Sie bewegte sich auf Zehenspitzen, spähte in alle Ecken, konnte aber nirgendwo ein solches Gefäß entdecken. Schließlich kroch sie halb unter das Bett – und wurde ausgerechnet dort fündig. Sie hoffte nur, jetzt nicht niesen zu müssen, und bewegte sich vorsichtig wie eine Katze rückwärts, bis sie sich endlich schweißgebadet wieder aufrichten konnte. Sie hielt das Fläschchen ins Licht einer Kerze, um ganz sicherzugehen, und nickte schließlich zufrieden. Beinahe voll. Glück gehabt. Das müsste reichen.
    Als sie es gerade zwischen ihren Brüsten verschwinden lassen wollte, stieß die Herzogin einen klagenden Laut aus, und das Mädchen in dem Sessel fuhr hoch.
    »Verzeiht – ich muss aus Versehen eingeschlafen sein«, begann Lise zu stammeln, als sie die Spiessin erkannte, die rasch ihre Hand zur Faust geballt hatte, um den kostbaren Fund zu verbergen. »Bitte sagt van Halen nichts davon! Und Ihrer Hoheit erst recht nicht!«
    »Geht ruhig zu Bett!«, sagte Alma von Spiess so mütterlich, wie sie nur konnte. »Ich bin nicht müde und kann die Wache für Euch übernehmen.«
    »Aber van Halen …«
    »… wird sehr zufrieden sein, wenn er jemanden halbwegs Ausgeruhten bei der Kranken vorfindet. Nun macht schon, aber seid gefälligst leise!«
    Alma von Spiess atmete auf, als die Tür sich geschlossen hatte, brachte das Fläschchen endlich an die vorgesehene Stelle und beugte sich anschließend tiefer über Katharina.
    Die junge Frau lag auf dem Rücken, der Mund war halb geöffnet und gab den Blick auf ihre spitzen, kleinen Zähne preis. Sie keuchte, schien schwer zu atmen. Ab und zu stieß sie dumpf gurgelnde

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