Die Hexe und der Herzog
tatsächlich dauerte es nicht lange, bis Dietz Geyer mit einem breitschultrigen Mann aus dem »Schwarzen Adler« kam und mit dem Ausladen begann. Die beiden hatten mächtig zu zerren, denn es schien schwer zu sein, was sie schließlich nach drinnen schleppten: Reisekisten, stabil, aber mit bereits deutlichen Gebrauchsspuren.
Els bekam eine Gänsehaut, weil sie die Gepäckstücke augenblicklich wiedererkannte, noch bevor sie die Stimme jenes Mannes hörte, den nie mehr zu sehen sie alle sich so sehr gewünscht hatten.
»Vorsicht – darin sind meine kostbarsten Schätze verwahrt!«, hörte sie Kramer sagen. »Studien und Schriften, die mich viele Nächte meines Lebens gekostet haben.« Dann trat Pater Institoris in blendend weißem Habit auf die Gasse.
Unwillkürlich drückte Els sich tiefer in den Schatten der Mauer.
Der Pater sah kränklich aus, die Haut fahl, ohne jegliche Farbe, als habe er die vergangenen Monate in einem Verließ verbracht. Sein Schädel war frisch rasiert, sein Blick so schneidend wie eh und je.
Er war nach Innsbruck zurückgekommen, um zu vollenden, was er vor Wochen begonnen hatte. Sie alle hatten sich getäuscht, sich einlullen lassen von ihren Hoffnungen und Wünschen, die nun mit einem Mal wie Seifenblasen zerplatzt waren. Zum Glück bemerkte Kramer Els nicht, er schien vielmehr ganz auf den Transport des Gepäcks konzentriert, und als er hinter seinen Kisten schließlich wieder im Gasthaus verschwunden war, eilte Els so schnell sie nur konnte nach Hause.
»Er ist wieder da!«, rief sie, kaum hatte sie den »Goldenen Engel« erreicht. »Drüben abgestiegen, bei Purgl und Dietz. Die haben ihm sicherlich gleich so einiges über uns zu erzählen.«
»Wer ist da?«, kam es von Bibiana aus der Küche.
»Institoris. Der Pater mit dem kaltem Blick.«
Von Sebi, der seelenruhig seine Kirschen genascht hatte, kam ein lauter, entsetzter Schrei, und auch Pippo, soeben noch friedlich zu seinen Füßen auf dem kühlen Steinboden eingekringelt, jagte plötzlich wie entfesselt durch die Gaststube.
»Der Teufel in Person!« Bleich geworden, trocknete Bibiana sich die Hände. »Wir hätten ihn niemals unter unserem Dach aufnehmen sollen, Els.«
»Hinterher ist man immer schlauer.« Els klang grimmig. »Aber du hast natürlich recht. Ich werde auf der Stelle zu den anderen laufen und sie warnen. Wenn wir schlau sind und zusammenhalten, wird er uns nichts anhaben können.«
»Meinst du?«, murmelte Bibiana in ihren Rücken, doch da war Els schon wieder draußen.
Jetzt, während die Mittagshitze wie eine Glocke über der Stadt lag, waren nur wenig Menschen unterwegs. Wer konnte, blieb hinter den dicken Mauern der Steinhäuser und wartete bis zum Nachmittag. Auch Els hätte sich jetzt viel lieber stillgehalten, bis die Schatten länger wurden, aber sie wollte keine Zeit verlieren. Schon nach wenigen Schritten waren ihre Achseln unter dem dünnen Stoff nass, und sie spürte, wie Schweißbäche ihren Rücken hinunterrannen. Der Zufall wollte es, dass sie bei Wilbeth auch gleich die Hebamme vorfand, beide über diverse Kräuterbüschel gebeugt, die sie vor sich auf dem Tisch ausgebreitet hatten.
»Institoris!«, stieß Els statt einer Begrüßung hervor. »Stellt euch vor – er ist wieder in Innsbruck!«
»Und du täuschst dich sicher nicht?«, fragte Barbara. »Da, trink erst einmal einen Schluck! Du bist ja ganz atemlos.«
»Mit meinen eigenen Augen hab ich ihn gesehen. Er ist es. Zweifelsfrei.« Els stürzte den Becher hinunter. »Was wird er jetzt tun?«
»Das kann ich dir sagen. Er will Frauen brennen sehen, das weiß ich von meiner Base, die seine fanatische Predigt gehört hat. Mögen die Ewigen Drei durch ihre Kraft bewirken, dass ihm das hier bei uns in Innsbruck misslingt!« Schützend breitete Wilbeth die Arme über ihre geliebten Kräuter.
»Aber was sollen wir jetzt tun?«, fragte Barbara.
»Gar nichts, wenn du mich schon so fragst. Weiterleben wie bisher – mit einigen Vorsichtsmaßnahmen.« Das Gesicht unter dem silbernen Haarkranz war sehr ernst. »Dazu gehört, dass Els am besten sofort zu Rosin geht, damit auch sie Bescheid weiß. Ich meinerseits werde Hella benachrichtigen, die Leichtsinnigste von uns allen. Kann schon sein, dass ich ein wenig streng mit ihr werden muss.«
»Und Lena, mein Mädchen?«, fragte Els. »Ich kann die Hofburg nicht betreten.«
»Das übernehme ich«, sagte die Hebamme. »Lena hatte mich ohnehin gebeten, einen Tee für die Herzogin
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